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Sport: Schämen sollen sich die anderen

Italiens Spieler erheben Vorwürfe, nur Trapattoni wartet still auf die Entlassung

Es war ein Drama, das sich da in der vierten Minute der Nachspielzeit abspielte. Antonio Cassano, Italiens Torschütze zum 2:1-Siegtreffer, flog mit ausgebreiteten Armen schreiend durch den Regen, in dem Glauben, den entscheidenden Treffer zum Einzug ins Viertelfinale erzielt zu haben. Als er auf die italienische Bank zulief und die leeren Augen der Mannschaftskameraden sah, stürzte er ab. Die letzten Sekunden des Spiels kniete der 21-Jährige schluchzend an der Seitenlinie.

Ein paar Minuten später, als das Unglück besiegelt war, trottete Cassano noch sichtlich unter Schock in den Pressesaal – der Pokal für den „Spieler des Spiels“ musste entgegengenommen werden. Nur mühsam unterdrückte der Junge aus Bari die Tränen. Was nützte es ihm schon, als jüngster auch der beste Spieler einer leblosen Mannschaft gewesen zu sein mit seinen beiden Toren gegen Schweden und Bulgarien?

Italien gegen Bulgarien, das war ein ansehnliches Spiel mit interessanten Szenen, einem umstrittenen Elfmeter, einem späten Siegtreffer und einem verdienten Gewinner gewesen – und ein völlig bedeutungsloses. Die Dänen und Schweden hatten zeitgleich in Porto 2:2 gespielt und damit jenes Resultat erzielt, das alle italienischen Hoffnungen sterben ließ. Selbst 20 weitere Treffer von Cassano hätten nicht zum Einzug ins Viertelfinale gereicht.

Auf dem Feld hatten Italiens Spieler zum Abschluss eines durchwachsenen Turniers noch einmal Elan und Eleganz gezeigt. Auf dem Weg zum Bus machten sie den guten Eindruck dann gleich wieder kaputt. Sie nutzten die vielen Mikrofone, um sich als schlechte Verlierer zu präsentieren und das angebliche Komplott der Skandinavier zu bejammern. „Jemand sollte sich schämen, aber nicht wir“, sagte Gianluigi Buffon mit einem zynischen Lächeln. „Ich hätte nicht geglaubt, dass das passieren könnte. Wer da noch über Fairplay und sportliche Werte redet, sollte seine Augen öffnen.“ Stefano Fiore sprach von einem „sehr seltenen Resultat“, Massimo Oddo hatte „einen schlechten Geschmack im Mund“. Für Alessandro Nesta stand die Ungerechtigkeit des Ausgangs völlig außer Frage: „Es ist bitter, wenn man Dritter hinter zwei Teams wird, die schlechter sind als wir.“

Verbandspräsident Franco Carraro behauptete, die Art, wie das Spiel in Porto gelaufen sei, hätte gezeigt, dass Dänen und Schweden auf das Unentschieden aus gewesen sein. „Leider finden sich dafür nur sehr schwierig Beweise“, meinte der 65-Jährige – dabei hatte die Rai doch speziell 25 Kameras am Spielfeldrand aufgestellt, um diese Beweise aufzuzeichnen.

Unzweifelhaft ist: Zum wiederholten Male reiste Italien als Favorit an und wurde dieser Rolle nicht gerecht. Nun muss Trainer Trapattoni wohl gehen. Sein im nächsten Monat auslaufender Vertrag wird offenbar nicht verlängert werden, Marcello Lippi, der frühere Trainer von Juventus Turin, soll das Amt übernehmen. In den entscheidenden Spielen verließ Trapattoni das Glück – seine Manieren aber blieben. „Wir hegen keinen Verdacht gegen die Skandinavier“, sagte er. „Wir gehen erhobenen Hauptes.“

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