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Noch nicht die richtige Kragenweite. Schalkes Jungstar Julian Draxler.

© MIS

Schalke 04: Eine Nummer zu groß für Julian Draxler

Weil Julian Draxler seine Rolle noch nicht ausfüllt, sucht Schalke 04 nach dem schwachen Start in die Saison weiter nach einer Hierarchie.

Der Mannschaftsbus wartete bereits seit einiger Zeit, aber Jermaine Jones hatte nach dem 1:2 bei Hannover 96 noch immer etwas zu sagen. „Wir reden hier immer über das große Talent, das wir in der Mannschaft haben. Aber zum Fußball gehören auch immer Wille und Leidenschaft“, sagte Jones. „Wir haben in der Halbzeitpause darüber gesprochen. Der Trainer hat etwas gesagt, aber auch der ein oder andere ältere Spieler. Dann ging es ja auch deutlich besser.“ Diese Einlassungen des Mittelfeldspielers ließen einen tiefen Einblick in das Innerste der Mannschaft vom FC Schalke 04 zu: Die internen Hierarchien haben sich offenbar noch nicht herauskristallisiert.

Und das hat vor allem damit zu tun, dass die Vereinsführung einen neuen Weg gehen wollte und ihr Vertrauen vor allem auf den Nachwuchs setzt. Zum einen wegen des finanziellen Konsolidierungskurses, den sich der Verein selbst auferlegt hat. Zum anderen auch aus der Überzeugung heraus, dass dies der richtige Weg in die Zukunft ist. Allerdings bringt dieser Strategiewechsel mehr Probleme als erwartet. Julian Draxler, das große Talent und Eigengewächs, ist ein prägnantes Beispiel für die bisherigen Ungereimtheiten, die sich innerhalb der Mannschaft ausgebreitet haben.

Anfang Mai hatte Manager Horst Heldt den Vertrag mit Draxler unter großem Brimborium – acht Kleinlaster fuhren mit dessen Konterfei durch das Ruhrgebiet – bis 2018 verlängert. Und im Zuge dieser Verlängerung hat ihm der Manager nicht weniger als eine wichtige Führungsrolle innerhalb der Mannschaft zugesprochen. Seitdem läuft Draxler seiner Form hinterher und kann die an ihn herangetragene Rolle nicht ausfüllen. „Ich bin mit meiner Leistung auch nicht zufrieden, da kann sicher noch mehr kommen“, sagte Draxler in Niedersachsen selbstkritisch. Es kam sehr viel, wohl zu viel, zusammen für einen 19-Jährigen.

Und auch seine Kollegen haben sich über so viele vorzeitige Vorschusslorbeeren vonseiten der Klubführung gewundert. „Man muss seine Leistungen in jeder Saison erst einmal wieder bestätigen“, hatte Jones in der Sommervorbereitung mit Blick auf die jungen Kollegen gesagt. Und die Probleme, die die Schalker in der vergangenen Saison bereits beklagten, haben sich keineswegs verbessert. 50 Gegentreffer kassierten die Schalker in der Vorsaison, nach drei Bundesligapartien sind es bereits wieder neun.

Es sollte eine der wichtigsten Aufgaben von Trainer Jens Keller werden, diese Anfälligkeit zu verbessern. Bisher ist es ihm nicht gelungen. Welch große Probleme die Defensivabteilung noch immer hat, war in der ersten Hälfte in Hannover zu beobachten – nach der Roten Karte für Benedikt Höwedes nach 14 Minuten, aber auch bereits davor. Nahezu jeder lange Pass der Niedersachsen erreichte die Kollegen in der Offensive. Die Schalker Innenverteidiger überboten sich mit Stellungsfehlern. Die Außenverteidiger, Tim Hoogland, der den verletzten Atsuto Uchida vertrat, und der kurz vor Spielende mit Gelb-Rot bedachte Christian Fuchs waren einmal mehr ein Sicherheitsrisiko.

Die Hannoveraner hätten bei konzentrierter Chancennutzung vier oder fünf Treffer erzielen können. Allerdings trafen lediglich Szabolcs Huszti, der später ebenfalls mit Rot des Feldes verwiesen wurde, per Elfmeter sowie Mamae Diouf. Hinzu kommt das chronisch tempoarme und oft ideenlose Aufbauspiel, das für jeden Gegner leicht zu durchschauen ist. Das war unter dem im Dezember 2012 entlassenen Huub Stevens bereits so. Und das hat sich auch unter Jens Keller nicht verändert.

In der zweiten Hälfte kämpften sich die Schalker in Hannover nach dem Anschlusstreffer von Adam Szalai vor allem deshalb wieder in die Begegnung, weil sie ihre ungewöhnliche physische Wucht in die Waagschale warfen. Diese Eigenschaft hatte gegen den Hamburger SV am ersten Spieltag noch mit Ach und Krach zu einem 3:3 ausgereicht. Gegen 96 aber nicht mehr. Am Dienstag spielen die Schalker ihr Play-off-Rückspiel bei Paok Saloniki um den Einzug in die Champions League (Hinspiel 1:1). „Das ist erst einmal das wichtigste Spiel der Saison“, sagte Draxler nach dem Fehlstart in der Bundesliga. Sollten die Schalker die Gruppenphase verpassen, würden die Diskussionen über die Arbeit von Jens Keller noch deutlich intensiver werden.

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