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Kuranyi

© ddp

Schalke: Der doppelte Houdini

Unter dem neuen Trainerduo Büskens/Mulder wirkt Schalke plötzlich wie von imaginären Fesseln befreit.

Aus der Distanz war kaum zu erkennen, wer Trainer und wer Spieler war. Als der Schalker Stürmer Kevin Kuranyi und sein neuer Vorgesetzter Youri Mulder im Foyer oberhalb des Kabinentrakts nebeneinander standen, wirkten sie wie Mitspieler, die noch einmal kurz erörterten, was zuvor geschehen war. Beide trugen blaue Trainingsanzüge und hatten ihre Sporttasche geschultert. Und beide hatten einen wunderbaren Abend erlebt, der eine auf der Bank, der andere vor dem gegnerischen Tor. Beim 5:0 über Energie Cottbus hatte Kuranyi vier Tore geschossen – zum ersten Mal überhaupt, seitdem er Bundesligaprofi ist, und Mulder hatte gemeinsam mit seinem offiziell zum Chef berufenen Kompagnon Mike Büskens einen erfolgreichen Einstand auf der Trainerbank gefeiert.

Formal ist Lizenzinhaber Büskens der Chef und Mulder der zweite Mann, doch wer die Körpersprache während der Partie interpretiert, kann leicht auf den Gedanken kommen, sie seien mindestens gleichberechtigt. Der Aufstellungsbogen enthielt unter der Rubrik „Trainer“ zwei Namen: Mulder/Büskens. Beide zusammen gelten als Platz- und Statthalter für Fred Rutten, der noch beim niederländischen Erstligaklub Twente Enschede unter Vertrag steht und dort Mulders Chef war. Rutten soll dem FC Schalke die Zusage gegeben haben, die Mannschaft in der kommenden Saison zu trainieren.

Bis der neue Fußballlehrer die Arbeit aufnimmt, sind Büskens und Mulder damit betraut, die Freude am Spiel zurückzubringen und die Mannschaft von den imaginären Fesseln zu befreien, die zumindest unterbewusst offenbar den Spieltrieb begrenzt hatten. Unter der Regie des am Sonntag beurlaubten Mirko Slomka waren Erfolge oft als das Produkt schwerer Arbeit erschienen, Siege trugen zumeist lustfeindliche Züge. Im Profigeschäft mag Spaß kein Wert an sich sein, aber er kann – im Verbund mit der nötigen Disziplin – eine solidere Grundlage bieten als bloßer Zweckfußball, der selbst bei passablen Ergebnissen niemanden begeistert. Insofern hatte das neue Trainerduo einen verheißungsvollen Start, auch wenn ihm und anderen ein derart schwacher Gegner der Marke Cottbus wie gerufen kam. Büskens und Mulder waren hinterher weit davon entfernt, sich anzumaßen, durch kluge Schachzüge zum Ziel gekommen zu sein. Das wäre eher Slomkas Art gewesen, der oft seine Maßnahmen selbst hervorhob.

Der vormalige Amateurtrainer Büskens indes brillierte, zumindest rhetorisch, mit simplen Weisheiten à la Beckenbauer. „Auch wenn es im Millionengeschäft Fußball um sehr viel geht, ist es immer noch ein Spiel.“ Also ließ er die Schalker ohne theoretischen Ballast rausgehen und nach Herzenslust kicken. Gemeinsam mit Mulder hat er dieses Gefühl fürs Erste wiederbelebt, nicht nur beim Torschützen Kuranyi. Die gesamte Mannschaft zeigte Lust am Fußball, und zwar weit über den Punkt hinaus, an dem diese jederzeit einseitige Partie entschieden war. Weiterzuspielen koste letztlich weniger Kraft und Nerven als einen Vorsprung zu verwalten, sagte Mulder. Als Freiheitskämpfer wollte er sich aber so wenig gerieren wie sein Partner Büskens. Mit dem, was vorher richtig oder falsch gemacht wurde, hätten sie nichts zu tun.

Kuranyi wiederum wollte seine plötzliche Leistungsexplosion nicht mit dem entlassenen Cheftrainer in Verbindung gebracht wissen. Pflichtschuldig lobte er Slomka als guten Trainer, der bestimmt bald anderswo Erfolg haben werde. Seine Nachfolger aber hätten „Frische reingebracht und gezeigt, dass sie sehr viel Ahnung vom Fußball haben und uns weiterbringen werden“. Wie weit, ist noch nicht absehbar. Letztlich bleibt die Erkenntnis, dass es zwischen Fußballhimmel und -erde mehr gibt als die Schulweisheit erträumen lässt. „Ich könnte mich jetzt hinstellen und sagen, ich hätte mit Kuranyi gesprochen und er hat deshalb vier Tore geschossen“, sagte Büskens. „Aber dann bitten mich alle um so ein Gespräch.“

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