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Plakative Botschaft. Die Dortmunder Kurve protestiert gegen die Ticketpreiserhöhung auf Schalke.

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Schalke - Dortmund: Es ist Derby – und keiner geht hin

Dortmunder Anhänger boykottieren das Spiel des Jahres gegen Schalke 04 wegen zu hoher Eintrittspreise – und erhalten dafür sogar Zustimmung bei den Fans der Blau-Weißen.

Die Zahl des Anstoßes vor dem heutigen Revierderby ist die 22. Diesen Betrag in Euro müssen die Dortmunder Fans inklusive Vorverkaufsgebühr für einen Stehplatz in der Schalker Arena zahlen. Zu viel, sagen die Initiatoren einer Protestbewegung, die sich auf Seiten der Gäste unter dem Namen „Kein Zwanni für ’nen Steher“ zusammengefunden hat. Sie haben zum Boykott der heutigen Bundesligapartie aufgerufen und damit für ein riesiges Echo gesorgt.

Wer die Befindlichkeiten im Ruhrgebiet kennt, der kann ermessen, was es heißt, wenn sich Fans von Borussia Dortmund dazu entschließen, ihre Mannschaft allein zum Nachbarschaftsduell fahren zu lassen. Erstmals seit Menschengedenken wird Deutschlands schillerndstes Derby nicht ausverkauft sein. Die Protestler in Schwarz-Gelb prangern an, dass die Preise im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 50 Prozent angehoben wurden. Über 300 Fanklubs und -vereinigungen von „Amando Dortmund“ bis „Zone 09“ haben sich dem Aufruf zur Verweigerung angeschlossen.

„Wir wollen ein Preisniveau, das die soziale Bedeutung des Fußballs aufrechterhält, und das Fans möglichst vieler Gesellschaftsschichten und Altersklassen einen Stadionbesuch ermöglicht“, heißt es auf der Homepage www.keinzwanni.de. Mit Nachdruck betonen die Kämpfer für faire Preise, es gehe ihnen ganz und gar nicht um die sonst so innig gelebte Rivalität zum Reviernachbarn, sondern ums Prinzip. „Wir müssen ein Zeichen setzen“, sagt Sprecher Marc Quambusch, „die Blauen sind doch genauso Opfer wie wir.“

Zum Beispiel jüngst beim Schalker Auswärtsspiel in Hamburg: „Wenn Gästefans mit 84 Euro für einen schnöden Sitzplatz in der Ecke geschröpft werden“, sagt der BVB-Fan Daniel Lörcher, „ist das kein bezahlbarer Fußball mehr.“ Um 90 Prozent hätten die Bundesligisten die Ticketpreise in den vergangenen zehn Jahren nach oben getrieben, Tendenz steigend – für viele Fans eine ungesunde Preisspirale. So gaben die Bremer Ultras den Boykott aller Champions-League-Heimspiele bekannt. Auf der Internetseite infamousyouth.org fordern sie den Vorstand auf, seiner sozialen Verantwortung nachzukommen: „Sollen Schlagwörter wie ,Werder-Familie’ und ,Engagement gegen Diskriminierung’ nicht zu hohlen Floskeln verkommen, bedarf es einer deutlichen Korrektur der Preispolitik.“

Solche Gedanken kann Rolf Rojek nachvollziehen. Der Vorsitzende des Schalker Fanklub-Verbandes kann sich mit den Kollegen aus Bremen und Dortmund „in der Sache voll identifizieren. Irgendwann kommt die Grenze, wo du sagen musst: ,Stopp, bis hierhin und nicht weiter.’“ Schalker und Dortmunder Seite an Seite für die gemeinsame Sache? Im Ruhrpott käme das einer Kulturrevolution gleich. Zumindest Quambusch fände es „absolut genial, zusammen ein klares Zeichen zu setzen. Wir haben ja sonst nicht so viel gemeinsam.“

In dem Schalker Rojek haben die Borussen immerhin einen Bruder im Geiste. Er könnte sich vorstellen, „eine bundesweite Aktion anzuschieben. Wenn die Fanblocks leer bleiben, sollte das die Verantwortlichen zum Nachdenken bringen.“ Schließlich gelte es zu verhindern, „dass nur noch betuchte Herren mit ihren Sekretärinnen im Stadion sitzen. Keine Trikots, keine Schals, keine Gesänge – eine Horrorvision.“

Ein Szenario, auf das die englische Premier League rasant hinsteuert – seit ihrer Gründung 1992 haben sich die Preise dort verneunfacht, das Durchschnittsalter der Besucher ist von 30 auf 46 Jahre hochgeschnellt. Schalkes Geschäftsführer Peter Peters wiegelt ab: „Wir sind doch Lichtjahre von englischen Verhältnissen entfernt.“ Das Preisgefüge in seinem Klub sei „weiterhin ausgewogen“.

Die Fans sehen das anders. Acht Klubs solidarisierten sich bereits, am vergangenen Sonntag zeigten die Hertha-Fans im Olympiastadion ein Transparent mit der Aufschrift: „Kein Zwanni für ’nen Steher – Fußball muss bezahlbar bleiben.“

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