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Sport: Scharmützel um Charterflüge

Wie sich Australien und Uruguay schon vor den WM-Play-offs bekämpfen

Die Luftfahrt-Branche stand zuletzt kurz vor der EM 1996 so stark im Mittelpunkt der Fußball-Berichterstattung wie jetzt. Damals hatte die englische Nationalmannschaft im Vollrausch die Kabine eines Jumbo Jets der Cathay Pacific nach einem Spiel in Hongkong verwüstet. Vor den Play-offs um die WM-Qualifikation zwischen Uruguay und Australien interessieren sich die Fans nun gezwungenermaßen mehr für interkontinentale Flugverbindungen als für die Taktik ihrer Teams. Die komplizierte Logistik der beiden Spiele in Montevideo am Sonnabend und in Sydney am Mittwoch hat die schlechte Stimmung zwischen beiden Lagern, die seit 2001 ohnehin herrscht, noch verstärkt. Vor vier Jahren waren australische Spieler am Flughafen in Montevideo bespuckt und angerempelt worden. Das Spiel ging nach einem 1:0-Sieg der Australier im Hinspiel mit 0:3 verloren, Uruguay fuhr zur WM in Japan und Südkorea.

Als Uruguay jetzt erneut Fünfter der Südamerika-Gruppe wurde und damit das Treffen mit Ozeanien-Sieger Australien feststand, hatte Verbandschef John O’Neill nichts Besseres zu tun, als schon mal vorsorglich zu drohen: „Wir treten nicht an, wenn wir erneut so angefeindet werden.“ Die Reaktionen in Montevideo: wütende Kommentare in Zeitungen, empörte Anrufe bei Radiosendern.

Uruguay schlug zurück, mit einer Beschwerde über die Schiedsrichter. Die Fifa hatte in der südamerikanisch-ozeanischen Auseinandersetzung extra für beide Spiele europäische Schiedsrichter berufen: den Dänen Claus Bo Larsen für das Spiel in Montevideo und den Belgier Frank de Bleeckere für das Rückspiel. Belgier? Da Australiens Trainer Guus Hiddink aus Holland kommt, fürchtete Uruguays Verband einen Fall von Nachbarschaftshilfe. „Das ist so, als hätte man fürs Hinspiel einen Argentinier und für das Rückspiel einen Brasilianer angesetzt“, sagte Uruguays Nationaltrainer Jorge Fossati. Der Weltverband Fifa reagierte auf den Unsinn und berief Luis Medina Cantalejo als Schiedsrichter, einen Spanier.

Dann begann das Scharmützel um Charterflüge. Die Uruguayer änderten die Anstoßzeit von 17 Uhr Ortszeit auf 21 Uhr. Das tun die nur, um unseren Rückflug zu erschweren, argwöhnten die Australier und sicherten sich schnell einen passenden Charterflug über ihren Hauptsponsor, die Fluggesellschaft Qantas. Doch die Uruguayer hatten nicht richtig nachgedacht. Bald stellte sich heraus, dass sie bei der späteren Anstoßzeit in Montevideo selbst nicht rechtzeitig nach Australien kämen, um sich vor dem Rückspiel akklimatisieren zu können. Die Australier protestierten gegen den Vorschlag, die Anstoßzeit wieder auf 17 Uhr zurückzuverlegen, und weigerten sich, die Uruguayer bei Qantas mitfliegen zu lassen. Jetzt wird das Spiel um 18 Uhr Ortszeit angepfiffen.

Der ganze Nonsens hat für Australien einen ernsten Hintergrund – zusätzlich zur Chance, erstmals seit 1974 wieder bei einer WM dabei zu sein. Fußball soll in Australien aus dem Schatten von Rugby und Australian Rules Football treten. Dazu entsteht eine neue nationale Liga. Zudem will Australien die Kontakte zu asiatischen Verbänden intensivieren und bei der Fifa selbstbewusster auftreten. Da kann sich das aufstrebende Fußballland kaum von Etablierten wie Uruguay herumstoßen lassen. Zum Glück droht dies ohnehin zum letzten Mal: In der nächsten Qualifikation dürfen die Australier bei den Asiaten mitspielen und sich direkt um einen Platz bei der WM in Südafrika bewerben.

Der Autor arbeitet für das englische Fußball-Magazin „When Saturday Comes“ und lebt in Australien. Den Text hat Markus Hesselmann übersetzt.

Mike Ticher[Sydney]

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