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Sport: Scheidung auf die Schnelle

In einfachen Fällen wird vielleicht in Zukunft der Notar den Richter ersetzen

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wird derzeit in Deutschland jede zweite Ehe wieder geschieden. Im Jahr 2003 standen den 380 000 Eheschließungen mehr als 210 000 Scheidungen gegenüber. Wer davon betroffen ist, sucht sich in der Regel einen Anwalt und lässt das gerichtliche Scheidungsverfahren über sich ergehen. Das dauert oft mehrere Jahre und ist extrem teuer. Deshalb denken die Justizminister der Länder derzeit darüber nach, zumindest in einfach gelagerten Fällen die Scheidung nicht mehr vor einem Richter, sondern vor einem Notar durchzuführen.

Im Rahmen der so genannten großen Justizreform wollen die Justizminister der Länder auch das bisherige Scheidungsrecht aufbrechen. Wichtigster Punkt: Sind sich die Noch-Ehepartner über die endgültige Trennung einig, dann soll es künftig schneller gehen mit der Scheidung. Die könnte nämlich von einem Notar statt wie bisher von einem Berufsrichter besiegelt werden. Entsprechend provokant sind dann auch die Schlagzeilen in deutschen Tageszeitungen nach Bekanntwerden der Pläne ausgefallen. „Scheidung in zehn Minuten“ oder auch „Blitz-Scheidung beim Notar“ war da zu lesen. Doch damit tun sich die Notare selbst noch etwas schwer. Hans-Ulrich Sorge, Geschäftsführer der Landesnotarkammer Bayern, erklärt warum: „Hier geht es unter dem Schlagwort ,Blitzscheidung‘ darum, dass man überlegt, den Notar vor den Richter zu stellen, um gewisse Fragen vorzufiltern. Gedacht ist da insbesondere an einfach gelagerte Fälle, also dort, wo sich die Partner einvernehmlich trennen wollen, wo keine Kinder vorhanden sind, wo die Ehe vielleicht auch noch keine lange Zeit Bestand hatte. Hier könnten künftig Scheidungsvereinbarungen beim Notar getroffen werden, die quasi das Urteil vorwegnehmen.“ Konsequenz: Die Ehe würde dann zwar noch durch Urteil, aber im schriftlichen Verfahren beim Familienrichter geschieden werden.

Allerdings hat sich die niedersächsische Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann bereits dafür ausgesprochen, das gesamte Scheidungsverfahren vor einem Notar statt vor einem Richter abzuschließen. So wie zum Beispiel in Dänemark. Dort ist das Scheidungsverfahren längst nicht mehr Sache der Richter, sondern der Behörden. Schließlich wird die Ehe ja auch nicht vor einem Richter geschlossen, sondern durch Vertrag vor einem Standesbeamten. Allerdings gibt Hans-Ulrich Sorge zu bedenken: „Die Scheidung der Ehe bei einem Richter durch Urteil ist auch eine gesellschaftspolitisch veranlasste und gewollte Entscheidung, weil man die Ehe als Institut nicht so disponibel machen möchte. Das ist eine gesellschaftliche Wertentscheidung – ein besonderer Vertrag eben. Und wir Notare fühlen uns mit Sicherheit nicht dazu berufen, eine solche Diskussion anzustoßen und die Ehe als Institution dadurch aufzuweichen.“ Falls die Blitzscheidung kommt, beträfe das aber nur Paare, die sich intellektuell und emotional wirklich einig sind über das endgültige Aus ihrer Ehe. Wenn hingegen die Emotionen hoch schwappen, die Partner im Streit auseinander gegangen sind oder nur um der Kinder willen eine einvernehmliche Scheidung herbeireden, „dann ist es schon besser, dass sich jeder Partner durch einen echten Interessenvertreter, der auch wirklich parteiisch, vielleicht sogar auch ein Stück rücksichtslos ist, vertreten lässt“, empfiehlt Sorge. Der Grund: Notare sind qua Gesetz zur Neutralität verpflichtet. Sie müssen zwar darauf achten, dass jeder Vertragsteil versteht, was er unterschreibt. Notare dürfen aber nur in begrenztem Umfang Ratschläge erteilen, ob das denn jetzt das optimale Verhandlungsergebnis ist oder ob nicht noch mal 100 Euro im Monat mehr Unterhalt drin gewesen wären. Anwälte dagegen müssen sich diese Fragen zu Gunsten ihres Mandanten stellen.

Die Landesjustizminister jedenfalls werden über das Für und Wider einer Scheidung vor dem Notar auf ihrer nächsten gemeinsamen Sitzung am 29. Juni entscheiden. Gut möglich, dass danach Notare nicht nur Ehen scheiden, sondern auch begründen dürfen, wie das bei gleichgeschlechtlichen Partnern zum Beispiel in Bayern schon jetzt der Fall ist. Allerdings sollte die Heirat vor einem Standesbeamten parallel weiter Bestand haben. Schließlich will sich nicht jedes Paar in einer nüchternen Notarskanzlei das Ja-Wort geben.

Marcus Creutz

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