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Sport: „Scheidung“ vom Vater

Tennisprofi Jelena Dokic hat Damir Dokic eine Million Dollar gezahlt – damit er sie in Ruhe lässt

Melbourne - Jelena Dokic wird in drei Monaten 23 Jahre alt und hat schon mehr erlebt als so manche 80-Jährige. Ein kurzer Überblick über die ungewöhnlichen Ereignisse in ihrem Leben.

Als Kind wanderte sie aus dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Jugoslawien aus, stieg in Australien zum Tennis-Star auf, schied aber bald im Zorn von ihrem neuen Heimatland. Nach turbulenten Jahren, in denen sie von Platz vier in der Weltrangliste auf einen Rang hinter den besten 300 rutschte, trennte sie sich jetzt von ihrem umstrittenen Vater und ist, nun endlich selbstständig geworden, mittlerweile reuig auf den fünften Kontinent zurückgekehrt. Ein Wendepunkt ihres Lebens könnte die Nachricht sein, über die jetzt australische Zeitungen berichten: Jelena Dokic hat ihrem skandalträchtigen Vater Damir Dokic eine Million US-Dollar gezahlt, damit er sie künftig in Ruhe lässt.

Die genauen Modalitäten sollen in einem Vertragswerk festgeschrieben sein, demnach soll sich Damir Dokic künftig von seiner eigenen Tochter fern halten. Der Vertrag soll wie ein Scheidungsvertrag aufgesetzt sein. Jelena Dokic macht ihren Vater für ihre schlechten Ergebnisse in den letzten Jahren verantwortlich. Heute feiert sie nach fünfjähriger Abwesenheit ihr Comeback bei den Australian Open in Melbourne.

Damir Dokic gehörte über Jahre zu den schlimmsten Exemplaren der Kategorie „unliebsame Tennisväter". Nach seltsamen Eskapaden wurde er mehrfach bei Turnieren vor die Tür gesetzt, unter anderem, weil er sich über den Preis eines Fischgerichtes in unflätiger und bedrohlicher Weise beschwert hat. Einmal führte er in betrunkenem Zustand einen Streik durch, ein anderes Mal beschuldigte er die Turnierveranstalter der Australian Open der Manipulation. Monatelang durfte er überhaupt kein Tennisturnier mehr besuchen.

Gerüchte, nach denen Dokic seine Tochter nicht nur psychisch, sondern auch körperlich missbraucht habe, wurden jetzt erstmals bestätigt. Die frühere australische Doppelpartnerin von Dokic, Rennae Stubbs, hat in einem Interview mit einer australischen Zeitung berichtet, Jelena habe nach einem Streit mit ihrem dominierenden Vater blaue Flecken gehabt. In Australien ist sie mit offenen Armen wieder aufgenommen worden, vermutlich auch nicht zuletzt deshalb, weil die stolze Tennisnation verzweifelt nach starken Spielerinnen sucht.

Eine Zusammenarbeit mit der früheren Fedcup-Kapitänin Lesley Bowrey scheiterte aber überraschend daran, dass Jelena Dokic sie nicht bezahlen konnte. Was ein wenig überrascht, wenn man berücksichtig, dass die ehemalige Nummer vier der Weltrangliste allein an Preisgeldern mehr als 3,7 Millionen US-Dollar eingenommen hat und zeitweise mit sehr gut dotierten Werbeverträgen ausgestattet war.

Junge Tennisspielerinnen seien besonders verletzlich, sagte Jelena Dokic, die sich lange Zeit, wenn auch oft sichtbar verlegen und beschämt, vor ihren Vater gestellt und ihn verteidigt hat. Später wollte sie gar nichts mehr sagen. „Keine Fragen über den Vater“, hat eine Angestellte der WTA vor einigen Jahren die Journalisten ermahnt, „sonst steht sie auf und geht.“ Inzwischen beschwert sich Damir Dokic bitter darüber, dass sich seine Tochter nicht einmal zu Weihnachten gemeldet habe.

Jelena Dokic ist in der Weltrangliste nicht mehr unter den besten 300 zu finden, bitter für eine Spielerin, die kurz nach ihrem 16. Geburtstag mit ihrem Sieg über die damalige Weltranglisten-Erste Martina Hingis in der ersten Runde von Wimbledon 1999 für eine der größten Überraschungen in der Geschichte des Damen-Tennis gesorgt hatte.

Nach der Saison 2003 begann der Abstieg. Verletzungen paarten sich mit den Turbulenzen im privaten Bereich, Schlagzeilen machte eher ihre Affäre mit dem brasilianischen Formel-1-Fahrer Enrique Bernoldi – der von ihrem Vater missmutig als Idiot bezeichnet wurde – als ihre einst gewaltigen Schläge von der Grundlinie und ihr herausragender Kampfgeist. Nach zwei vertanen Jahren und einem neuen Lebensgefährten an ihrer Seite hat Jelena Dokic sich jetzt offenbar entschlossen, noch einmal einen Neuanfang zu wagen, der, wie sie selbst einräumt, schwer werden dürfte.

Zwar gelang es ihr, sich bei einem Wildcard-Turnier in Melbourne eine der begehrten Freikarten für das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres zu sichern. Die Niederlage in Auckland allerdings gegen die Deutsche Julia Schruff war vor allem der Umstände wegen ein herber Rückschlag, der sie in Tränen ausbrechen ließ. 28 Doppelfehler, einmal sogar sechs hintereinander, zeigten, dass Dokic noch lange nicht dort ist, wo sie wieder hin will, zumindest unter die besten 100, möglichst die besten 50 der Welt bis Ende dieses Jahres. Vielleicht hilft ihr nun die endgültige „Scheidung“ vom Vater, ihren Seelenfrieden wieder zu finden und an erfolgreichere Zeiten anzuknüpfen.

Alexander Hofmann

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