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Sport: Schicksal des Talents

Norman Ackermann gilt als Wunderkind des Fechtens – das harte Arbeiten musste er erst lernen

Berlin - Sein Körper spielt Schach. Kennt schon die zweite Bewegung, wenn er die erste gerade erst ausführt. Hat auch eine Ausweichbewegung parat, wenn der Gegner mal nicht so reagiert, wie er will. Ein ständiges Spiel mit Erwartungen. Die eigenen verschleiern, die des anderen enttäuschen. So tun, als ob. Oben ansetzen, wenn man unten zustoßen will.

Er spähe seinen Gegner aus, sagt Norman Ackermann, der heute mit dem Degen im Finale des traditionellen Fechtturniers „Weißer Bär von Berlin“ (14.30 Uhr, Sportforum Hohenschönhausen) antritt. Ausspähen, das klingt nach Zeit und Deckung. Doch ein Gefecht lässt einem nicht mehr als nur die drei Minuten, die man auf der Planche, der Bahn der Fechter, steht. Der Moment ganz zu Anfang sei wichtig, erzählt Norman Ackermann. In diesem Moment, wenn die Masken noch nicht sitzen, man die Augen des anderen sieht, muss man da sein – da muss man nicht nur einfach anschauen, sondern durchschauen.

Norman Ackermann, 24 Jahre alt, gilt als ein Favorit des Turniers, er trainiert beim FC Tauberbischofsheim und steht im deutschen Viererteam für die Olympischen Spiele in Peking. Ein Wunderkind, sagt man, nur zu faul, zu selbstverliebt. 2005 war er deshalb nicht im Team für die Weltmeisterschaft. Eine große Enttäuschung sei das gewesen, sagt er. „Mir haftete einfach dieser Ruf als Partykanone an.“ Sicher, er wisse darum, dass er manchmal das Üben vernachlässigt habe. Das nennt er „Schicksal des Talents“. Er hätte schon Menschen gebraucht, die ihm sagten: Auf die Knie, an die Arbeit, wenn er manchmal vielleicht lieber jung sein wollte, feiern und pokern ging. Als viel entscheidender, auch für den Ausfall von Trainingszeiten, sieht Ackermann selbst aber sein Jurastudium in Wuppertal an. Er steht kurz vor dem Ersten Staatsexamen, ist in einem permanenten Spagat: Fechter bleiben und Jurist werden. Vier Stunden am Tag trainieren, acht weitere lernen.

Wenn Norman Ackermann über sein Leben spricht, klingt er eher wie ein akribischer Zeitmanager als wie eine wilde Partykanone. „Duale Karriereplanung“ nennt er es selbst, manchmal kreuzen sich die beiden Pfade auch. Zum Beispiel wenn er an einem Seminar für Geschäftsführer teilnimmt, sie in einem Crashkurs im Fechten unterweist. Viel Zeit hätten die nämlich nicht, sagt er. „Und sie brauchen viel Entschlusskraft, genau wie wir.“

Mit vier Jahren hat Ackermann das erste Mal gefochten, einfach weil er machen wollte, was sein älterer Bruder tat. Sein Bruder hörte auf, Norman Ackermann blieb beim Degen, obwohl er auch andere Sportarten ausprobierte, Judo und Fußball. Was ihm, so sagt er, am Fechten so gefällt, ist, dass es so wenig pure Körperkraft braucht, stattdessen Geist und Kreativität. Auch spricht er viel von der Eleganz des Sports, seinem Anmut, und das passt zu ihm.

Nach Schweiß und Pranken sieht er nicht aus, er trägt einen Pulli mit V-Ausschnitt und Seitenscheitel, dazu spitz zulaufende Schuhe. Er könnte Modedesigner oder Tänzer sein. Und er schwärmt davon, wie sein Sport aussieht. Neulich habe er im Internet einen clipartigen Fechtfilm gesehen – Stoß um Stoß, Angriff und Parade, blitzende Klingen, weiße Kleidung, schwarze Masken. Einfach wunderschön.

Mehr Sport in Berlin im Internet:

www.tagesspiegel.de/berlin-sport

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