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Das Geschehen im elektronischen Blick.

© IMAGO

Schiedsrichter Herbert Fandel: "Das ist nicht die Wahrheit"

Herbert Fandel, Schiedsrichter-Chef des DFB, plädiert für einen Verzicht auf Zeitlupen im Fernsehen und in den Stadien um Schiedsrichter zu schützen. Was meinen Sie? Diskutieren Sie mit!

Herr Fandel, der italienische Fernsehsender RAI hat angekündigt, künftig bei Fußballspielen weitgehend auf Zeitlupen zu verzichten, um die Schiedsrichter zu schützen. Würden Sie sich das auch in Deutschland wünschen?

Ich würde es begrüßen, die Zeitlupen ganz entfallen zu lassen. Aber das wird wohl kaum möglich sein.

Warum?

Wenn man Zeitlupen in kritischen Situationen weglässt, würde das natürlich den Schiedsrichtern helfen und ihnen den Druck nehmen; aber dann wird es für den Fan natürlich etwas uninteressanter.

Aber Zeitlupen zeigen doch auch oft genug, dass ein Schiedsrichter richtig lag.

Das zeigen Wiederholungen sogar in der Mehrzahl der Fälle. Aber die Zeitlupe zeigt nicht das, was viele Fernsehanstalten oder Moderatoren glauben: Sie zeigt nicht die Wahrheit.

Wie meinen Sie das?

Die Wiederholung zeigt nicht, was wirklich auf dem Platz stattfindet. Sie bietet lediglich einen Blick von der anderen Seite, auf einen Zweikampf zum Beispiel. Was ihr fehlt, ist die dritte Dimension – die Tiefe ist nicht da. Der Schiedsrichter hat eine eigene Perspektive und beurteilt daraus die Situation. Deswegen ist die Zeitlupe nicht immer fair.

Ist das nicht Zensur, einen Teil des Spiels nicht genau zu zeigen?

Das Fußballspiel ist voller Fehler, von allen Seiten, von Spielern, von Trainern und von Schiedsrichtern. Deshalb ist es auch interessant, diese Dinge noch einmal zu zeigen. Aber die Wiederholung erschwert Schiedsrichtern die Arbeit, weil die Perspektive oft nur einen Fehler vortäuscht.

Haben Sie kein Verständnis für die Zuschauer, die ein Spiel umfassend aufbereitet haben möchten?

Doch, ich kann das gut verstehen. Das Spiel lebt von Emotionen, und dazu gehören auch die Zeitlupen. Doch manchmal würde ich mir wünschen, dass die Fehler nicht so unterschiedlich betrachtet werden. Ein Fehler des Schiedsrichters geht manchmal drei Wochen durch die Gazetten, aber der Mittelstürmer, der den Ball aus drei Metern über die Latte knallt, ist am nächsten Tag oft schon wieder vergessen.

Haben Sie schon mal Kontakt zu deutschen Fernsehsendern aufgenommen, um über den Umgang mit Zeitlupen zu sprechen?

Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Zeitlupen hierzulande abgeschafft werden. Sie sind ein Teil der Berichterstattung geworden. Für den Fernsehzuschauer macht es auch mit den Reiz aus, eine Szene aus verschiedenen Einstellungen serviert zu bekommen. Dass dies auf dem Rücken der Schiedsrichterei ausgetragen wird, müssen wir leider akzeptieren.

Die Fans im Stadion müssen bereits ohne Wiederholungen auskommen, weil in vielen Arenen keine Zeitlupen gezeigt werden.

Das ist eine Anweisung des Fußball-Weltverbandes Fifa, und die finde ich auch völlig korrekt. Im Stadion muss man keine zusätzlichen Emotionen aufwühlen, allein schon aus Sicherheitsgründen. Ein Zuschauer, der im Stadion sitzt, hat ein Live-Erlebnis und braucht diese vielfachen Wiederholungen überhaupt nicht. Wenn er Zeitlupen sehen will, dann soll er zu Hause bleiben und sich vor den Fernseher setzen. Die Wirklichkeit findet jedenfalls in den 90 Minuten auf dem Platz statt.

Das Gespräch führte Dominik Bardow.

Zur Person:

Herbert Fandel, 46, leitet die Schiedsrichterkommission des DFB. Der Pianist und Musikschulleiter pfiff 247 Spiele der Bundesliga und beendete 2009 seine Karriere als Schiedsrichter.

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