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Sport: Schläge gegen die eigene Angst

FRANKFURT (MAIN) .Es ist ja kein normaler Kampf.

FRANKFURT (MAIN) .Es ist ja kein normaler Kampf.Keines dieser lausigen Duelle um einen unwichtigen Titel, das zum Ereignis hochgepuscht wird und dadurch besonders peinlich wirkt.Es ist eines jener Duelle, bei dem die Box-Fans mitfiebern, bei dem sie einen besonders starken Kitzel spüren wollen und sicher sind, daß er kommen wird.Es wird nicht so sein wie bei Maske oder Schulz, weil es da trotz des ganzen Brimboriums vor allem um Sport ging.Bei Torsten May geht es auch um Sport.Aber noch viel mehr geht es um Angst und Versagen und um öffentliche Bloßstellung.Die Leute können oben, im Ring, einen Menschen zusammenbrechen sehen, seelisch zusammenbrechen, und das dürfte viele reizen.Oben wird Torsten May in Frankfurt (Main) gegen Adolpho Washington kämpfen, um die IBF-Intercontinental-Meisterschaft im Cruisergewicht (Sonnabend, 23 Uhr, live in RTL).Aber das ist nur die Fassade.Vor allem wird May gegen sich selbst kämpfen.Gegen seine Angst.Und gegen seine Erinnerungen.

Erinnerungen an die fürchterlichen Prügel, die er in der Stierkampfarena von Mallorca erhalten hat.An sein Gesicht, das aussah, als hätte er in einem rotierenden Betonmischer übernachtet.An den einjährigen Jungen, der voller Angst die Hand seiner Mutter umklammerte, als er am Fernseher dieses Gesicht sah, das Gesicht seines Vaters.Torsten May war in eine tiefe seelische Krise geprügelt worden, im Sommer 1996, in Mallorca.Adolpho Washington hatte ihn dorthin geprügelt.

Ende 1997 kämpfte May gegen Stefan Angehrn, einen mutigen Schweizer, der in der neunten Runde klar zurücklag.Aber plötzlich weinte May, ließ die Fäuste sinken und gab auf.Das Mallorca-Trauma.Und die Leute lachten und schimpften ihn "Memme", weil er seine Seele gezeigt hatte.Das verstanden sie nicht.Sie sind Kämpfer gewöhnt, harte Burschen, die sich lieber halbtot prügeln lassen, als Schwächen zu zeigen.

Und jetzt doch wieder Adolpho Washington.Um das Trauma loszuwerden.Um ein quälendes Thema offensiv zu bewältigen.20mal Mal mußte sich May das Mallorca-Video anschauen, sein Trainer Ulli Wegner zwang ihn dazu."Wenn er das nicht kann, wird er seinen Rucksack nie los", sagt er.May sagt jetzt: "Ich bin wieder fit, auch mental." Wegner sekundiert: "Torsten ist in den letzten Monaten ein ganz anderer Mensch geworden.Er tritt viel selbstsicherer auf und zeigt rundum Verantwortung."

Wegner ist ein einfühlsamer Mensch.Keiner, der seine Jungs mit dem Gemüt eines Kampfhundes in den Ring jagt."Wie Torsten sich verhalten wird, weiß ich nicht.Ich kann aber mit Fug und Recht behaupten, daß ich alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, ihn vorzubereiten.Bei den geringsten Zweifeln hätte ich Torsten von diesem Kampf abgeraten", erklärt Wegner.Nun gut, da ist auch noch RTL.Die Kölner brauchen ein paar Namen, die wenigstens ein bißchen zugkräftig sind.May war 1991 Amateur-Weltmeister und 1992 Olympiasieger.Das ist nicht das Tollste, aber immerhin eine Bilanz, die man anpreisen kann.Und der 29jährige hat in 20 Kämpfen 18mal gewonnen.Zwei Niederlagen nur, bloß zwei.Aber eine davon war fürchterlich.Und die nützt natürlich RTL zur Quotenjagd."Revanche" nennt der Sender das Duell.

Es ist nicht bloß eine Duell."Es ist der wichtigste Kampf seiner Karriere", sagt Wegner."Denn hier entscheidet sich der Weg für sein weiteres Leben." Ramona May, die Ehefrau, erzählt, "daß Torsten ganz und gar nicht nervös gewirkt hat.Er kam nach dem Training immer ausgeglichen nach Hause".Vielleicht ist es wahr, vielleicht will sie sich so selbst Mut zusprechen.Sie wird am Samstag abend RTL einschalten.Erstmal."Wenn die Aufregung zu groß werden sollte", sagt Ramona May, "kann ich ja immer noch das Zimmer verlassen."

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