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Sport: Schneller als die Polizei

DFB-Präsident Theo Zwanziger verkündet, sieben Schiedsrichter könnten Steuern hinterzogen haben

Irgendwann mal, für ein paar Sekunden nur, sieht der Mann mit der braunen Krawatte und den weißen Haaren aus, als hätte er sich einen Schutzpanzer umgelegt. Der massige Körper drückt schwer in die Stuhllehne, die Hände über dem Bauch verschränkt, der Blick misstrauisch-lauernd. Im „Sepp-Herberger“-Tagungsraum, gleich hinter der Lobby der Zentrale des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) in Frankfurt am Main, kann jeder sehen, dass der DFB-Präsident Theo Zwanziger auf Abwehr eingestellt ist.

Er konnte ja keine spektakulären Nachrichten verbreiten, keine Enthüllung, keine dramatische Sperre, in der ganzen Steueraffäre um Bundesliga-Schiedsrichter konnte er gestern vor ausgesuchten Journalisten im Kern eigentlich nur ein paar Zahlen verkünden. 49 Schiedsrichter und Assistenten der Bundesligen haben sich mit Vertrauensmännern des DFB unterhalten, 42 teilten mit beziehungsweise zitierten ihre Steuerberater: „Gegen mich gibt es keine steuerrechtlichen Ermittlungen.“ Bleiben sieben. Und diese sieben, das liegt nahe, stehen auch auf jener Liste von 21 Unparteiischen, die der frühere Schiedsrichter-Obmann Manfred Amerell der Steuerfahndung Augsburg übergeben hat.

Sieben hochkarätige Unparteiische, die Steuern hinterzogen haben? Vorsicht, sagt Zwanziger. „Bei ihnen gibt es erstmal eine Nachveranlagung. Das ist zunächst etwas Normales. Ob dies dann zu einem Verfahren führt, weiß man nicht.“

Neben Zwanziger sitzt Herbert Fandel, der Vorsitzende der DFB-Schiedsrichter-Kommission, und verkündet: „Wir brauchen Fakten, Fakten, Fakten.“ Zwanziger nickt. „Bis jetzt gibt es einen Verdacht. Unsere Aufgabe ist es jetzt, sich zur Wahrheit vorzuarbeiten“, sagt er. Der Verband könne nicht einfach einen Schiedsrichter sperren. Dann fallen noch, eine Spur dramatischer vorgetragen, die Worte „drohende Regressforderungen“. Der DFB ist fest eingebunden in die Regeln des Rechtsstaats, an die muss er sich halten, egal, was alles an Gerüchten wabert.

Das ist der formaljuristische Teil. Aber dann gibt es noch eine andere Zone, eine weichere, eine, in der Ethik, Moral, Außenwirkung eine große Rolle spielen. Was passiert denn, wenn einer wirklich als krimineller Steuersünder auffällt? Und: Wie kann man Unparteiische besser kontrollieren? Interessant ohnehin, dass der DFB jetzt doch die Unparteiischen befragt, Zwanziger hatte vor Tagen noch locker sinniert: Am Ende komme bei den Ermittlungen doch sowieso nichts heraus.

Jetzt sieht alles ein wenig anders aus. Eine Expertenrunde stellt nun ein Kriterienkatalog zusammen. Thema: Wann kann einer „im nachgewiesenen Falle eines Vergehens“ weiter als Schiedsrichter arbeiten? Da beginnt die ethische Zone. Klare Grenzen gibt es nicht, betont Zwanziger, „aber eine Freiheitsstrafe, das ist zu viel“. Und bei einem Steuerdelikt? „Da spielt auch die Höhe der Zahlung eine Rolle.“ Es geht um die Glaubwürdigkeit eines Schiedsrichters. Für den früheren Fifa-Referee Bernd Heynemann ist es undenkbar, dass ein Unparteiischer, der als Steuersünder bestraft wurde, ein Profispiel leitet. Millionen Fans dürften ähnlich denken.

Weil die Sachlage so kompliziert ist, bleibt auch Zwanziger schwammig. Einerseits begutachtet er jeden Einzelfall, andererseits besteht er darauf, „dass die Vorbildfunktion eines Unparteiischen auch bei schweren persönlichen Verfehlungen eingefordert werden muss“. Der Jurist Zwanziger, streng sachlich orientiert, kollidiert immer wieder mit der gelebten und gefühlten Wirklichkeit. Dass sich Schiedsrichter Honorare auf Konten im Ausland, im speziellen Fall in Liechtenstein, haben überweisen lassen, „das ist erstmal nicht verwerflich“, das erzählt der DFB-Boss fast schon entwaffnend naiv.

Aber es passiert etwas, so ist es ja nicht. Spitzen-Schiedsrichter sollen nun polizeiliche Führungszeugnisse vorlegen, trotz der Gefahr, die Zwanziger sieht: „Wenn wir nur mit Misstrauen an die Unparteiischen herangehen, schwächt dies das Schiedsrichterwesen.“

Doch es gibt auch einen Moment, da lehnt sich Zwanziger entspannt zurück, die Arme liegen lässig auf dem Tisch. Steueraffäre, Fall Amerell, die Wettskandale, all die anderen Aufreger-Themen, mein Gott, „die gibt’s halt, so ist Fußball“. Na und? „Das Image des DFB hat deshalb noch nie Schaden genommen.“ Der Mann mit der braunen Krawatte und dem weißen Haar lächelt zufrieden.

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