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Sport: Schneller als Zabel

Gerald Ciolek überrascht als Straßenrad-Meister

„Stell dich bitte mal vor. Keiner kennt dich“, forderte die Pressechefin den Sensationssieger auf. Artig nannte der blonde Teenager seinen Namen, sein Alter, Geburts und Wohnort und muss sich, flankiert von den beiden Favoriten, vorgekommen sein wie bei einer Vernehmung bei der Polizei: „Ich bin Auszubildender als Energie-Elektroniker, seit diesem Jahr Profi, war lange krank und Achter beim Grand Prix Waregem, einem U-23-Weltcup-Rennen.“ Noch als Juniorfahrer gewann er zu Saisonbeginn das Rennen Köln-Schuld-Frechen für sein Team Akud Arnolds. Für seinen Sieg bei der deutschen Straßenmeisterschaft der Radfahrer hatte Gerald Ciolek eine einfache Erklärung: „Als Sprinter muss man selbstbewusst sein und das richtige Hinterrad nehmen.“

Der erst 18-jährige Ciolek aus Pulheim bei Köln überrumpelte im Massenspurt die großen Favoriten Erik Zabel vom T-Mobile-Team und den für die Tour de France nominierten Sprinter von Gerolsteiner, Robert Förster, der vor Zabel Zweiter wurde. „Wo kommt der jetzt her?“, dachte Förster perplex. „Ich hatte mich voll auf Erik konzentriert.“

Am Ende der 204 Kilometer auf dem flachen Stadtrundkurs hatte Zabel früh den Spurt angezogen, Förster reagierte. Doch während sich die beiden Favoriten bekämpften, schoss Ciolek aus dem Windschatten auf der Mitte der Zielgerade an beiden vorbei. Zum ersten Mal seit 1993 wurde nicht ein Fahrer des T-Mobile-Teams, das früher Team Telekom hieß, Deutscher Meister.

Erik Zabel, antwortete auf die Frage, was er im ersten Moment gedacht habe, ehrlich: „Scheiße.“ Doch dann fand der Sprinter, der nach seiner Nichtnominierung für die Tour de France gerne den nationalen Titel gewonnen hätte, anerkennende Worte für den Überraschungssieger. „Gerald ist verdient Deutscher Meister. Als achtzehnjähriger Bursche hat er sein Dinge kaltschnäuzig durchgezogen.“ Es hörte sich an, als würde Zabel bereits seinen Nachfolger loben. „Es wird immer gefragt: Wer kommt dann?“, sagte Zabel. „Ich werde übernächste Woche 35. Vielleicht nehme ich Gerald unter meine Fittiche.“

Nicht am Start in Mannheim war Jan Ullrich. Dem Kapitän des T-Mobile-Teams war der Stadtkurs eine Woche vor der Tour de France zu riskant. Er wollte lieber trainieren, als sich der Gefahr eines Sturzes auszusetzen. Ullrich wurde gestern ohnehin nur bis zu dem Moment vermisst, in dem Gerald Ciolek zu seinem Sprint ansetzte.

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