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Sport: Schock für McLaren Spionage-Affäre: Das Formel-1-Team verliert

alle Konstrukteurs-Punkte und 100 Millionen Dollar

Gegen 18 Uhr kam der Knall: Die normalerweise als sehr seriös geltende englische Website Autosport.com setzte die Blitzmeldung „McLaren-Mercedes aus der WM 2007 und 2008 ausgeschlossen“ in die Welt. Mit dieser Bestrafung im Spionage-Skandal der Formel 1 hatte nun wirklich kaum jemand gerechnet – und wenig später wurde die Meldung auch wieder zurückgezogen. Ein solches Urteil hätte massivste Konsequenzen für die Zukunft der Formel 1 gehabt – weit über eine zerstörte Weltmeisterschaft 2007 hinaus. Was dann zwei Stunden später offiziell bekannt gegeben wurde, war allerdings immer noch sehr drastisch: McLaren werden alle Punkte in der Konstrukteurs-WM 2007 aberkannt, über mögliche weitere Konsequenzen für die kommende Saison wird im Dezember entschieden. Darüber hinaus muss das Team 100 Millionen Dollar Strafe zahlen. Das beschloss der Weltrat des Automobil-Weltverbandes (Fia) in Paris.

Das Urteil bewegt sich an der oberen Grenze des Rahmens, der angesichts der politischen Situation erwartet worden war. Es ist ein harter Schlag für den Rennstall, denn obwohl die Fahrer-WM mit den führenden McLaren-Piloten Lewis Hamilton und Fernando Alonso unbeeinträchtigt bleibt, ist doch der prestigeträchtige Konstrukteurs-Titel entscheidend für die Verteilung der Einnahmen aus dem Fernsehgeld. Während Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug von einem „Schock fürs ganze Team“ sprach, nahm es der Konkurrent mit Genugtuung zur Kenntnis: „Ferrari ist zufrieden, dass die Vergangenheit nun zum Vorschein gekommen ist.“

Aber ist sie das wirklich? Viele Fragen bleiben zunächst einmal offen – auch weil die offizielle Urteilsbegründung erst am Freitag folgen wird. Die Nachweisbarkeit etwa, dass McLaren aus dem Besitz der Informationen des Konkurrenten Ferrari wirklich konkrete Vorteile zog. Und die Frage, warum zwar McLaren für das Fehlverhalten seines Angestellten Mike Coughlan, nicht aber Ferrari für das seines Angestellten Nigel Stepney verantwortlich gemacht wurde, der die Informationen an Coughlan weitergab.

Auch aufgrund dieser vergleichsweise diffusen Beweislage gab es bereits am Abend Tendenzen bei den Bestraften, die Entscheidung nicht widerspruchslos hinzunehmen. Man wolle „jetzt erst Recht mit aller Entschiedenheit“ weiterkämpfen, um auf „und neben der Rennstrecke vor Gericht Gerechtigkeit zu finden“, erklärte Norbert Haug. Ein Hinweis darauf, dass man wohl sowohl bei der Fia Berufung einlegen als auch möglicherweise vor ordentliche Gerichte ziehen könnte.

Klar war am Donnerstagabend nur eines: Mit diesem Urteil hat die Fia wohl mehr Probleme geschaffen als gelöst. Denn statt des angestrebten Deckels auf die Affäre hat sie die Büchse der Pandora wohl erst so richtig geöffnet. In der von Eifersüchteleien geprägten Formel 1, in der Informationsklau seit jeher zum Geschäft gehört, steht nun eine nicht enden wollende Prozesswelle zu befürchten, mit Renault als nächstem Angeklagten. Am Donnerstag tauchten Informationen darüber auf, dass ein Ende 2006 von McLaren zu den Franzosen gewechselter Mitarbeiter, drei Disketten mit brisantem Inhalt mitnahm und McLaren-Know-How über Kühlsystem und Elektronik am Renault verbaute. McLaren-Chef Ron Dennis hat angeblich ein schriftliches Eingeständnis seines Kollegen bei Renault, Flavio Briatore, darüber vorliegen. Die Fia kündigte bereits eine Untersuchung an. Auch das Team Spyker hatte im Sommer Konstruktionspläne von Red Bull und Toro Rosso in der Hand.

So bleibt als positive Erkenntnis für die Sportinteressierten im Formel-1-Fahrerlager immerhin die Meldung, dass die Fahrer-WM 2007, die spannendste seit vielen Jahren, von dem Geschacher um Macht, persönliche und kommerzielle Interessen unberührt blieb. Die Begründung dafür ist allerdings ähnlich plausibel wie die ganze Affäre: Man habe den Fahrern schließlich Straffreiheit als Ausgleich für ihre Kooperation zugesichert.

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