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Rollkur rückwärts. Laura Bechtolsheimer ist lieb zu „Douglas Dorsey“. Foto: ddp

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Sport: Schön schwer

Beim CHIO wird die Frage diskutiert: Gibt es einen pferdefreundlichen Dressursport?

Zwei Pferde auf dem Vorbereitungsplatz: Ein Fuchs geht angespannt, die Reiterin ist nicht zimperlich, setzt die Zügel ein, verkürzt den Pferdehals - und dann lässt sie ihn los, klopft ihm den Hals. Eine andere bufft ihr Pferd deftig an mit Bein und Sporn, sitzt in diesem Moment nach hinten gelehnt, übt Druck aufs Pferdekreuz aus. Im nächsten Moment sieht das Paar ganz anders aus: Der Zügel ist lang, sie reitet Schritt, das Pferd schaut gelassen und entspannt, der Schritt, immer Gradmesser für Anspannung, ist gut.

Diese Pferde gehören zum Starterfeld der Altersgruppe U25-Reiter. Sie starten in der ersten Dressurprüfung, die auf dem Reitturnier CHIO Aachen stattfindet. Und was sagt dieses vielschichtige Bild, das der Nachwuchs zeigt? Ein paar unschöne Szenen, keine Vorzeige-Ritte. Aber auch keine relevanten Momente in Bezug auf Tierquälerei. Also alles in Ordnung bezüglich der Abreitmethoden in der Dressur, die momentan stark kritisiert werden? Mitnichten. Wenn das der Nachwuchs ist, bei dem auf einem Abreiteplatz nicht ein vorbildlicher Ritt dabei ist, dann muss sich die Spitze fragen lassen: Wo sind die Vorbilder? Wer reitet an der Spitze so pferdefreundlich, dass er stilbildend für die ganze Sportart sein kann? Kritisiert wird nicht nur das extreme Engmachen im Hals, die landläufig Rollkur genannte Methode, die nun wie berichtet in der Variante namens „Long deep round, LDR“, offiziell erlaubt ist. Kritisiert wird auch ein zu raues, zu spannungsgeladenes Reiten an sich. „In nicht natürlicher Haltung soll das Pferd eine hohe Bewegungsleistung bringen. Das führt zu beträchtlichen Spannungen“, erklärt Heinz Meyer, der seit Jahren zum Thema Rollkur forscht und ein Standardwerk dazu veröffentlicht hat. Dem Pferd schade dies, weil ein hoher psychischer Druck entstehe und physisch die hohe Spannung die Belastung von Knochen und vor allem Gelenke verstärke. Erkennbar wird Spannung an schlagenden Schweifen, knappen Schritten in der Gangart Schritt, dem Gesichtsausdruck des Pferdes, der fehlenden so genannten Losgelassenheit, einem Fachbegriff, der die Leichtigkeit und Entspanntheit des Pferdes in der Bewegung beinhaltet.

Erzeugen kann der Reiter unter Spannung gewaltige Tritte des Pferdes, eine schnelle Reaktion – Dinge, die spektakulär aussehen. Das dieser Trend zum spannungsgeladenen Reiten erfolgreich geworden ist, hat mit dem System zu tun: Richtern, die spektakuläres Reiten höher bewerten als harmonisches Reiten, Veranstaltern, die dem Publikum etwas bieten wollen, Sponsoren, die Erfolgsdruck auf die Reiter ausüben. Es wirft die Frage auf: Wie viel Sport geht mit einem Tier?

Die Natur des Pferdes ist durchaus fähig, sich anzupassen. Die Pferdewissenschaftlerin Christine Aurich von der Universität Wien hat erforscht, welche Auswirkungen das Engmachen im Hals auf Pferde hat. Ihr Ergebnis: Der Kehlkopf wird verengt, was zu wenig Sauerstoffzufuhr bedeutet. Vor allem aber erzeuge die Haltung einen gewissen Stress.

Fragt man Profis nach vorbildlichem Reiten im Profilager, erntet man nicht nur Schweigen. Klaus Balkenhol, der sich mit seinem Verein Xenophon für pferdefreundliches Reiten stark macht, stellt vor allem Laura Bechtolsheimer heraus, eine Engländerin, die in Norddeutschland von ihm trainiert wird. Von der ist auch Forscher Meyer ganz angetan, er habe einige schöne Passagen von ihr gesehen. Man darf gespannt sein – am Donnerstag startet sie zum ersten Mal in diesem Jahr auf dem CHIO Aachen.

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