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Sport: Schöne Stadien und ein schlechtes Team

Niemand glaubt in Österreich an die Nationalelf – trotzdem soll auf großen Fanmeilen gefeiert werden

Die Vorbereitung auf ein sportliches Großereignis im eigenen Land kann man auf zwei Ebenen betrachten, und das ist im Fall der EM 2008 in Österreich sogar ganz gut. Rein sportlich gesehen ist das Land, in dem am 29. Juni 2008 der neue Europameister gekürt wird, ungefähr so weit von einer erfolgreichen EM-Endrunde entfernt wie Dieter Bohlen von klassischer Musik. Erst in der Vorwoche hatten zwei Testspiele gegen Schottland (0:1) und Paraguay (0:0) eindrucksvoll belegt, warum die Mannschaft von Nationaltrainer Josef Hickersberger in der Weltrangliste auf Rang 77 liegt, gerade einmal zwei Plätze vor dem Irak. Die Schwachstellen der Nationalmannschaft reichen weitgehend durch alle Mannschaftsteile, weswegen in Österreich noch nicht einmal die größten Optimisten an ein EM-Wunder glauben.

Doch es gibt für Österreich noch ein zweites Ziel: Kann das Land die Rolle eines guten Gastgebers spielen? Zumindest in diesem Punkt sieht die Sache besser aus. Ein Jahr vor der EM gibt es in Österreich zwar noch keine EM-Euphorie, wie sie etwa im Deutschland des Jahres 2005 geherrscht hat. Andererseits gibt es bei einer EM auch kein Pendant zum Confederations-Cup, bei dem Deutschland seine Gastgeberrolle üben konnte.

Zumindest die vier österreichischen Stadien sind bereits in Kürze EM-reif. Die Salzburger EM-Arena wird mit einem Testspiel der Heimmannschaft Red Bull gegen den FC Arsenal am 25. Juli eröffnet. Das neue Klagenfurter Stadion wird ab August bespielbar sein, in Innsbruck werden Ende September die zusätzlichen Tribünen eröffnet. Nur in Wien findet die Abnahme für das Praterstadion erst kurz vor dem Turnier statt. In allen vier österreichischen EM-Städten sind die Fanmeilen bereits festgelegt, vor allem in Wien wird das wohl auch funktionieren: Die Ringstraße vor dem Rathaus wird abgesperrt, der Rathausplatz in eine gigantische Fanzone verwandelt. Auch touristisch betrachtet ist das reizvoll, weil das Gros der Wiener Sehenswürdigkeiten, vom Parlament bis zum Burgtheater und der Votivkirche, gleich nebenan liegen.

Die deutschen Erfahrungen haben auch in Österreich dafür gesorgt, dass sich die Städte auf das Public Viewing einstellen. In allen österreichischen Großstädten werden für die EM derartige Massenveranstaltungen geplant, die teilweise, wie etwa in Salzburg oder Klagenfurt, vor einer ebenfalls imposanten Kulisse abgehalten werden sollen. Wirklich überraschend ist freilich, dass Österreich, das ansonsten so gerne mit seinem kulturellen Erbe protzt, nur wenig Geld für ein EM-Kulturprogramm locker macht. Bislang sind erst einige wenige Projekte fixiert, eine Literaten-EM mit Spielen und Lesemarathons etwa, eine Ausstellung im Wiener Künstlerhaus oder eine Fußball-Oper, die bei den Bregenzer Festspielen im August zur Uraufführung kommt. Ansonsten sind noch rund 180 Projekte in der Schwebe. Freilich mit bescheidenen Mitteln: Gerade mal eine Million Euro steht für das kulturelle Rahmenprogramm zur Verfügung. Für dieses Geld hätte der Österreicher André Heller in Deutschland wohl nicht einmal einen Mini-Ball auf die Reise geschickt.

Auch die wirtschaftlichen Erwartungen sind erstaunlich niedrig. Mit Wertschöpfungseffekten von nur 321 Millionen Euro rechnen die Österreicher. Das wäre eine Erhöhung des Bruttoinlandprodukts um gerade einmal 0,15 Prozent. Ungefähr gleich hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass Österreich über die Vorrunde hinaus kommt. Aber das wäre wieder die sportliche Geschichte.

Markus Huber[Wien]

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