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Sport: Schöner als ein Tor

Eigentlich sollte man sich nicht über Kollegen lustig machen. Vor allem nicht über die, die beim Fernsehen arbeiten und den undankbaren Job haben, Fußballspielern auf dem Weg vom Feld in die Kabine sinnreiche Kommentare zu entlocken.

Eigentlich sollte man sich nicht über Kollegen lustig machen. Vor allem nicht über die, die beim Fernsehen arbeiten und den undankbaren Job haben, Fußballspielern auf dem Weg vom Feld in die Kabine sinnreiche Kommentare zu entlocken. Das ist schon deshalb schwierig, weil Fußballer, die gerade 90 Minuten gerannt sind und sich die Seele aus dem Leib geschwitzt haben, nur selten sinnreiche Gedanken denken. Da helfen manchmal auch die klügsten Fragen nichts. Ärgerlich ist es aber, wenn selbst den Reportern, die dem Treiben 90 Minuten lang entspannt zuschauen durften, in solchen Situationen nichts Kluges einfällt. "Sind das die Geschichten, die nur der Fußball schreibt?", hat die Reporterin vom ZDF am Donnerstag den Dortmunder Stürmer Heiko Herrlich nach dem Spiel in Kopenhagen gefragt.

Herrlich hatte in der Nachspielzeit den 1:0-Siegtreffer für seine Mannschaft erzielt. Es war sein erstes Tor seit mehr als einem Jahr. Und dass er so lange nicht getroffen hatte, lag nicht an fortwährender Formschwäche, sondern daran, dass sich Herrlich zuletzt mit Geschichten, die nur der Fußball schreibt, eher weniger beschäftigen konnte. Ende des vergangenen Jahres war bei ihm ein Gehirntumor festgestellt worden, und in der Folge ging es für Herrlich nicht um die vergleichsweise läppische Frage, ob er seine Karriere würde fortsetzen können; für Herrlich ging es um die Frage, ob er sein Leben würde fortsetzen können.

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Dass Herrlich den Kampf gegen die Krankheit erfolgreich bestand, hat dazu geführt, dass nun all sein früher alltägliches Tun mit großem Pathos aufgeladen wird. Herrlich selbst hat gesagt, "dass es Schöneres gibt", als Tore zu schießen. Ihm sind beim Fernseh-Interview die Tränen gekommen, nicht weil er ans Weiterkommen im Uefa-Cup gedacht hat, sondern "an die vielen anderen Menschen, die mit meiner Krankheit im Krankenhaus liegen und ein solches Erlebnis nicht haben können". In anderen Fällen würde eine solche Aussage übertrieben peinlich wirken, doch bei Herrlich zweifelt niemand daran, dass sich für ihn die Prioritäten verschoben haben. Sein Vertrag bei Borussia Dortmund wurde vor kurzem bis 2005 verlängert. Das war eine schöne Geste des Vereins. Doch andererseits weiß jeder, dass Sentimentalität Herrlich auf Dauer keinen Stammplatz sichert. Irgendwann muss er wieder Tore schießen, viele Tore, damit er den Ambitionen der Dortmunder genügt. Andernfalls wird Heiko Herrlich höchstens auf der Bank sitzen dürfen. So ist das Geschäft.

Aber das Geschäft ist nicht alles.

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