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Sport: Schöner scheitern

Ob mit Österreichs Nationalteam oder seinem Klub Middlesbrough: Verteidiger Emanuel Pogatetz scheint verdammt, heldenhaft zu kämpfen und nicht zu siegen

Von Markus Hesselmann

Das Gefühl, heroisch zu scheitern, kennt Emanuel Pogatetz. Zum Beispiel neulich in der Premier League. Da tritt der österreichische Abwehrspieler mit dem FC Middlesbrough beim FC Chelsea an. Sein Team liegt zur Halbzeit 0:1 zurück, gibt sich aber dem großen Favoriten in dessen Stadion nicht geschlagen. Middlesbrough liefert einen großen Kampf, drängt die Stars um Deutschlands Kapitän Michael Ballack in deren Hälfte zurück, trifft zweimal die Latte und einmal den Pfosten. Und am Ende gewinnt Chelsea 1:0. Pogatetz’ Team ist in dieser Saison die Aufgabe zugefallen, die Meisterschaft mitzuentscheiden: Zwei Wochen vor dem starken Auftritt bei Chelsea hatte es ein 1:1 beim FC Arsenal erkämpft. Gestern kam Tabellenführer Manchester United nach Middlesbrough. Die Heimmannschaft lag zurück, glich aus, ging in Führung. Doch es reichte wieder nicht: Eine Viertelstunde vor Schluss gelang dem großen Favoriten das Tor zum 2:2-Endstand.

Dabei zu sein und die Großen bei deren Kampf um den Titel zu prüfen – diese Rolle fällt wohl auch Österreich bei der EM zu. Ein Middlesbrough der Nationalteams. Dumm nur, dass dieser Underdog auch Gastgeber ist. Entsprechend muss ein österreichischer Nationalspieler mit Spott leben – nicht zuletzt von den eigenen Leuten daheim. Da gibt es eine landesweite Initiative, die sich aus fußballästhetischen Erwägungen für einen Rückzug aus dem Turnier stark macht. Und das Fußball-Magazin „Ballesterer“, das österreichische „11 Freunde“, veröffentlicht eine EM-CD mit dem Titel „Lieber ein Verlierer sein“. Ist es also gut für Pogatetz und seine Motivation, dass er bis Mitte Mai noch weit ab vom Schuss ist? „Ich bekomme die Stimmung schon mit“, sagt der England-Profi. „Doch ich glaube, dass sich da jetzt einiges ändert.“ Zum Guten hin. Nicht zuletzt wegen der Leistungen der letzten Spiele. Gegen Deutschland, auch bei der EM wieder Gegner, waren die Österreicher ja nicht schlecht. Jedenfalls nicht so schlecht, wie es das Ergebnis 0:3 vermuten lassen müsste. Und gegen Holland haben sie 3:0 geführt – um am Ende 3:4 zu verlieren. „Man muss aber gegen Holland erst einmal drei Tore schießen“, sagt Emanuel Pogatetz. „Ich glaube, dass die Fans das schon anerkennen.“

Pogatetz sieht das Positive, doch der 25 Jahre alte Verteidiger ist genauso wenig ein Schönredner, wie er ein Schönspieler ist. Wegen allzu offener Worte war er sogar eine Zeitlang aus dem Nationalteam verbannt. „Ich habe ein paar Dinge angesprochen, und das hat nicht jedem gefallen“, sagt Pogatetz. Nationaltrainer Josef Hickersberger bereite seine Spieler schlecht vor, hatte Pogatetz 2006 gesagt. Nach einem 0:1 gegen Venezuela, eher eine Baseball- als eine Fußballnation. Man ginge „ohne taktische Vorgaben ins Spiel, wie ein Schüler, der für seine Schularbeit nichts gelernt hat“. Hickersberger berief Pogatetz erst einmal nicht mehr.

Jetzt hat man sich ausgesöhnt, der Mann aus der Premier League ist zurück im Nationalteam. Im Gegensatz zu Paul Scharner, dem anderen österreichischen Profi in England, der ebenfalls Kritik geübt hatte. Dem Mittelfeldspieler von Wigan Athletic blieb der Weg zurück bislang versperrt. Glückliches Österreich, das es sich leisten kann, einen Stammspieler aus der besten Liga der Welt bei einer EM im eigenen Land nicht aufzustellen.

Zwischen der Premier League und der österreichischen Bundesliga, wo die Hälfte des österreichischen Kaders kickt, da lägen Welten, sagt Pogatetz. „Vor allem beim Tempo ist der Unterschied groß. Das ist ja das Problem unseres Teams.“ Pogatetz schreibt den Abstand zur europäischen Spitze jahrzehntelanger Selbstzufriedenheit zu. Der Ursprung dafür liegt für ihn in einem nationalen Mythos: Cordoba. WM 1978, das 3:2 über Deutschland. Wenn Pogatetz das Wort Cordoba hört, verzieht er das Gesicht. Seine freundliche Mimik weicht einem abfälligen Blick. „Dieses Spiel, dieser Traum von einem Sieg über Deutschland, hat so vieles überdeckt“, sagt Pogatetz. „Ich will damit nichts zu tun haben.“

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