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Jugend freut sich. In 19 Sportarten gibt es Wettbewerbe.

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Schulsportwettbewerb drohen Einschnitte: "Jugend trainiert für Olympia darf nicht sterben"

Jugend trainiert für Olympia soll aus Talenten Olympioniken machen. Nun streicht das Innenministerium seinen Zuschuss - mit unabsehbaren Folgen.

Wer weiß schon, was aus Ole Bischof geworden wäre, wenn er nicht in seiner Schule in Reutlingen zur Judo-AG gefunden hätte. „Da habe ich meine ersten Gürtel gemacht“, erzählt er. Den gelben und den orangefarbenen. Und er hat seine ersten Wettkämpfe bestritten, mit seiner Schulmannschaft bei „Jugend trainiert für Olympia“, noch bevor er in einen Verein eingetreten ist. „,Jugend trainiert für Olympia‘ ist ein Wettkampf unter Breitensportlern, da geht es noch darum, sich miteinander zu messen, einfach aus Spaß. Nichts anderes wollte ich damals.“ Fast zwanzig Jahre später ist Ole Bischof in Peking Olympiasieger geworden.

Bischofs Biografie ist ganz im Sinne der Erfinder von „Jugend trainiert für Olympia“, diesem Wettbewerb, der zu den ersten sportlichen Erfahrungen gehört wie die Bundesjugendspiele oder der Freischwimmer. 800 000 Teilnehmer sind es jedes Jahr, und damit darf sich „Jugend trainiert für Olympia“ größter Schulsportwettbewerb der Welt nennen. „Das Schöne ist, dass man auch in einer Einzelsportart wie Judo als Mannschaft auftritt“, sagt Bischof. „Für mich hat da das Feuer angefangen.“

Im Mai werden einige der besten deutschen Schulmannschaften wieder nach Berlin kommen. Zweimal im Jahr findet hier das Bundesfinale statt, einmal im Frühjahr, einmal im Herbst. In den Bergen gibt es dazu ein Wintersportfinale. Das Bundesfinale in Berlin ist die sportlichste Klassenfahrt, die man sich denken kann, mit Disco in der Max-Schmeling-Halle zum Abschluss. Doch in dieser Form könnte das alles bald vorbei sein. Das Bundesinnenministerium wird seinen Zuschuss in diesem Jahr halbieren, im nächsten ganz streichen. 1,8 Millionen Euro kostet das Finale. Wenn auf einmal 700 000 Euro vom Ministerium fehlen, ist der Wettbewerb gefährdet. Auf jeden Fall wird er anders aussehen.

Der Deutsche Olympische Sportbund hat schon aufgeschrien. Vizepräsident Ingo Weiss sagt: „Wir bitten sowohl Bund als auch Länder, die Finanzierung dieses Wettbewerbs sicherzustellen. Dieser Wettbewerb darf nicht sterben.“ Der Schulsport sei wichtig, weil viele Kinder dort den Sport kennenlernten. Und gerne genannt wird der Wettbewerb als gutes Beispiel für Inklusion. Denn seit zwei Jahren findet zeitgleich mit „Jugend trainiert für Olympia“ „Jugend trainiert für Paralympics“ statt. Im Mai etwa sind auch Rollstuhlbasketballer und Goalballer dabei.

Der Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium hört sich allerdings überhaupt nicht so an, als würde er seine Meinung noch mal ändern. „,Jugend trainiert für Olympia‘ ist ein Schulsportwettbewerb und damit eine reine Länderveranstaltung“, sagt Gerhard Böhm. In Zeiten der Schuldenbremse könne der Bund kein Geld für etwas ausgeben, für das er gar nicht zuständig sei. Spitzensport ist Bundessache, Breitensport Ländersache. Fertig.

Im Hintergrund spielt noch eine Rolle, dass sich sein Ministerium über die Bundesländer gewaltig ärgert. Die hätten sich an der Finanzierung der Nationalen Anti-Doping-Agentur beteiligen wollen. Haben sie bisher aber nicht. Nun sollen sie sehen, wie sie das Finale eines Schulsportwettbewerbs retten.

Auf das Ende der Zuschüsse seien die Organisatoren und der Deutsche Olympische Sportbund schon vor eindreiviertel Jahren hingewiesen worden. „Jetzt so zu tun, als wenn man kalt erwischt würde, ist lächerlich“, sagt Böhm. So gesehen war die Unterstützung seines Ministeriums in den vergangenen 24 Jahren eigentlich eine freiwillige Leistung. Bis zur Wiedervereinigung hatte das Bundesfinale noch einen anderen Zweck. Die Jugend der Bundesrepublik nach Berlin zu schicken, als sportliche Grußadresse an die DDR. Und das Bundesfinale nimmt für sich in Anspruch, den Schlachtruf „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ erfunden zu haben. Später hätten ihn die Fußballfans fürs DFB-Pokalfinale einfach übernommen.

Im Bundesfinale bleiben die Eliteschulen oft unter sich

45 Jahre wird „Jugend trainiert für Olympia“ in diesem Jahr alt, gegründet wurde der Wettbewerb 1969 gemeinsam von Willi Daume, dem Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees, der Zeitschrift „Stern“, ihrem Chefredakteur Henri Nannen und der Kultusministerkonferenz der Länder. Talente sollte der Wettbewerb aufspüren und aus ihnen Olympioniken machen, wenn auch nicht mehr für München 1972, dann für alle Spiele danach. Inzwischen hat sich der Sport jedoch gewandelt. Es gibt andere Möglichkeiten, bewegungsbegabte Kinder zu finden. Auch die Schulen haben sich verändert.

Zuschlag vom Briefeschreiber: Eine Marke aus dem Jahr 1976.
Zuschlag vom Briefeschreiber: Eine Marke aus dem Jahr 1976.

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Um schon Nachwuchsathleten zu ermöglichen, neben der Schule viel zu trainieren, verteilen sich inzwischen Eliteschulen des Sports übers ganze Land. Das hat Konsequenzen für „Jugend trainiert für Olympia“. In manchen Disziplinen und Altersklassen tragen im Bundesfinale die Eliteschulen untereinander den Wettbewerb aus. Es stehen sich also Nachwuchssportler gegenüber, in deren Terminkalendern ohnehin eher zu viel als zu wenig Wettkämpfe stehen. Und warum sollen sie auch noch gegen dieselben Gegner starten, die sie schon bei deutschen Meisterschaften und beim Länderpokal getroffen haben?

Im Alltag unzähliger Schulen hat der Wettbewerb auf jeden Fall seinen festen Platz. „Durch ,Jugend trainiert für Olympia‘ hat man in der Schule auch ein sportliches Ziel“, sagt Peter Kremkow. Als Sportlehrer an der Heinrich-Böll-Oberschule in Spandau hat er zweimal mit Fußballmannschaften das Bundesfinale erreicht, ein Höhepunkt, auch wenn die Berliner anders als Schüler aus anderen Bundesländern dann zu Hause übernachten. „Man lernt Schüler neu kennen, in einer Mannschaft geben sie sich oft anders als im Unterricht. Und wenn man Erfolgserlebnisse hat, begegnet man sich danach in der Schule ganz anders.“ Dass beim Wettbewerb auch viele Eliteschulen dabei sind, stört ihn nicht einmal. „Es ist doch ein Anreiz, eine Eliteschule mal zu schlagen.“

Cornelia Krüger, Sportlehrerin an der Grundschule am Brandwerder, sagt, dass gerade in den jüngeren Altersstufen immer unterschiedliche Schulen gewinnen. „Da gibt es einen großen Wechsel, oft hängt das natürlich vom Engagement einzelner Lehrer ab.“ Außerdem von funktionierenden Kooperationen mit Sportvereinen. Sie selbst empfindet den Schulsportwettbewerb als Motivationsschub. „Lehrer engagieren sich zusätzlich.“ Als die Organisatoren des Wettbewerbs einmal die Zeit hochrechneten, die Sportlehrer jedes Jahr für „Jugend trainiert für Olympia“ ehrenamtlich aufwenden, kamen sie auf 5000 Stunden.

Wird der Wettbewerb jetzt jünger?

Die Krise könnte „Jugend trainiert für Olympia“ nun jedoch grundlegend verändern. Thomas Poller hat schon einige Vorstellungen. Er koordiniert in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft das Bundesfinale. Berlin beteiligt sich mit 450 000 Euro jedes Jahr, stellt dazu Personal und 40 Sportanlagen zur Verfügung. Die Förderung sei damit etwa so hoch wie die des Bundes, sagt Poller. Er schlägt vor, den Wettbewerb jünger zu machen und inhaltsschwerer. „Wenn Deutschland sich irgendwann noch mal für Olympische Spiele bewerben will, wo will man dann eigentlich olympische Werte vermitteln?“, fragt Thomas Poller. „Und wo kann man Jugendliche auch über Doping aufklären, die noch nicht Mitglied eines Kaders sind?“

Seine Antwortet lautet: bei „Jugend trainiert für Olympia“. „Die Qualität des Bundesfinales ist besser als die einer deutschen Meisterschaft. Die Sportler sind eine Woche zusammen, übernachten in Jugendgästehäusern, treffen Athleten aus anderen Disziplinen.“ Eine Verbindung aus Sport und Jugendlager. Um Jugendliche nicht nur Sport treiben zu lassen, sondern auch Verständigung und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern, hat selbst das Internationale Olympische Komitee eine eigene Veranstaltung geschaffen, die Olympischen Jugendspiele. Die hätten sich sogar bei „Jugend trainiert für Olympia“ bedient, sagt Poller. Der Vielseitigkeitswettkampf im Skifahren mit Sprungschanze, Slalom, Berglauf sei so gut und technisch so wertvoll, dass ihn die Jugendspiele für ihre nächste Auflage 2016 in Lillehammer übernommen hätten.

Vielleicht konzentriert sich „Jugend trainiert für Olympia“ künftig auf die jüngeren Altersstufen, auf die 10- bis 14-Jährigen, sagt Poller, bevor er noch einmal grundsätzlich wird: „Der Titel des Wettbewerbs ist eigentlich genial.“ Auch die Idee. „Sie bringen damit den Wettbewerbsgedanken in den Schulsport.“

Die Unterstützer des bedrohten Wettbewerbs beginnen sich zu organisieren, koordiniert von der Deutschen Schulsportstiftung. Sie suchen Sponsoren, denken über ihr Konzept nach, hoffen darauf, dass die Kultusministerkonferenz der Länder das Bundesinnenministerium noch umstimmen möge. Und vielleicht werden sie auch noch bei denen um Hilfe bitten, für die „Jugend trainiert für Olympia“ am Anfang einer großen Karriere stand. Bei Athleten wie Ole Bischof.

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