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Sport: Schumacher ohne Lenkrad

Noch weiß der Formel-1-Rekordweltmeister nicht, was er nach seinem Rücktritt machen wird

Michael Schumacher hatte seine Abschiedsträne noch gar nicht geweint, da war er schon Geschichte. „Die Formel-1-Welt wird sich auch ohne ihn weiterdrehen“, sagte Weltmeister Fernando Alonso. Aber wird sich auch Michael Schumacher ohne die Formel 1 weiterdrehen?

Wie wird das Post-Sport-Leben eines Menschen aussehen, der sich „nur durch seinen Sport definiert hat“, wie Flavio Briatore anmerkt? Nicht nur für den Teamchef von Renault, der Schumacher zu Beginn der Neunzigerjahre zum Weltmeister geformt hatte, ist der Deutsche ohne ein Lenkrad in der Hand überhaupt nicht vorstellbar.

„Ab morgen wird sicherlich spekuliert, wann er sein Comeback geben wird“, sagte Norbert Haug noch am Sonntag. Der Mercedes-Motorsport-Chef hat sich geirrt. Die Spekulationen begannen bereits in dem Moment, in dem Schumacher seinen Rücktritt nach 16 Jahren Formel 1 offiziell machte. Der frühere Weltmeister Niki Lauda beispielsweise hält die Option einer kurzen Auszeit, wie er sie selbst einst nahm, für durchaus realistisch.

Eine Rückkehr des Rekordweltmeisters darf dennoch so gut wie ausgeschlossen werden. „Ich würde diese Entscheidung jetzt nicht treffen, wenn ich wüsste, dass ich im nächsten Monat wieder einsteigen werde“, sagt der 37-jährige Schumacher. Die Gründe für den Rückzug aus seinem Lieblingsferienort Formel 1 waren vermutlich rein rationaler Natur. „Je älter man wird, desto schwieriger wird es auch, die Energie und Motivation beizubehalten“, sagt er, und sein Manager geht ein bisschen mehr ins Detail. „Das ewige Reisen, dieses Hin und Her, ohne irgendwo zu sein, hat ihn ausgelaugt“, sagt Willi Weber. „Wir haben öfter zusammengesessen und gedacht, dass das jetzt endlich mal aufhören muss.“

Schumacher musste sich schließlich eingestehen, dass auch der Schnellste einen Gegner niemals besiegen können wird: die Zeit.

Obwohl er die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis gezogen hat, weiß Schumacher im Moment noch nicht einmal selbst, was er tun wird, nachdem er am 22. Oktober in Sao Paulo die letzte Zielflagge seiner Karriere gesehen hat. „Es hat nie einen Plan für die Zeit danach gegeben“, sagt er, „und den gibt es auch jetzt nicht“. Willi Weber ist sich zumindest in einem Punkt sicher: „Er wird dem Motorsport sicherlich treu bleiben, denn der ist sein Leben.“ Wenn man eins und eins zusammenrechne, könne man darauf kommen, was Schumacher nach seiner Karriere machen werde. „Der Erfahrungsschatz, den er nach 16 Jahren Formel 1 hat, ist doch unbezahlbar. Außerdem kann er ja nicht nur schnell fahren, er kann auch Leute mobilisieren und motivieren wie kein anderer.“ Verknüpft mit der Ankündigung von Ferraris Präsident Luca di Montezemolo, wonach Schumacher „in der großen Ferrari-Familie bleiben“ werde, ergeben sich einige Betätigungsfelder: Er könnte als Repräsentant für den italienischen Automobilhersteller arbeiten, sogar die Rolle als Chef des Formel-1-Teams scheint nicht ausgeschlossen. „Es ist noch nichts in dieser Richtung entschieden“, sagt Weber.

Nur eines steht jetzt schon fest: „Michael wird sich bestimmt nicht sofort von einem Abenteuer ins nächste stürzen. Er wird auf jeden Fall erst einmal eine Auszeit nehmen.“ Schumacher wird die Zeit brauchen, vor der er in seinem gesamten Leben geflüchtet ist. Er hat sich vorgenommen, jene Seite des Lebens zu erobern, die ihm bislang immer verborgen geblieben ist. Weber: „Er möchte jetzt endlich auch einmal die Städte sehen, die er nur vom Flughafen oder von der Rennstrecke her kennt.“ Alles andere, sagt Michael Schumacher, werde sich irgendwann später entscheiden. „Da habe ich dann ja Zeit genug.“

Christian Hönicke[Monza]

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