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Sport: Schumachers Erbe

Nach seiner Aufholjagd am Nürburgring sehen viele in Nico Rosberg den einzig legitimen Nachfolger des Rekordweltmeisters

Als Michael Schumacher am Sonntag jubelnd in die Zielgerade einbog, war Walter Kafitz der Gegenwart in Gedanken schon weit voraus. „Niemand weiß, wie es nach Michael weitergeht“, sagt der Geschäftsführer des Nürburgrings. Es könnte der letzte Sieg des siebenmaligen Formel-1-Weltmeisters in der Eifel gewesen sein, wenn er sich dazu entschließt, seine Karriere nach dieser Saison zu beenden. Ohne ihren größten Werbeträger stehen die beiden Grand Prix in Deutschland auf dem Nürburgring und in Hockenheim vor einer ungewissen Zukunft. „Ich weiß auch nicht, wie es weitergeht“, sagt Bernie Ecclestone. „Wir sind gerade in Verhandlungen.“ Der Formel-1-Chef hat im vergangenen Jahrzehnt eine Menge Geld in Deutschland verdient, doch nun ist er dabei, den finanziell angeschlagenen Hockenheimring und den Nürburgring auf die Zeit ohne Schumacher vorzubereiten. Das wahrscheinlichste Modell ist, dass sich beide Strecken künftig bei der Austragung nur noch eines Grand Prix abwechseln.

Um weiterhin zwei Grand Prix in Schumachers Heimat zu rechtfertigen, benötigt Ecclestone einen geeigneten Nachfolger, der das Interesse auf hohem Niveau erhält. Ralf Schumacher scheint kaum dazu in der Lage zu sein, das Erbe seines Bruders anzutreten. Der Toyota-Pilot hat sich offenbar mit der Aussicht angefreundet, den Rest seiner Karriere gut bezahlt im gesicherten Mittelfeld der Formel 1 zu verbringen. BMW-Fahrer Nick Heidfeld hat zwar das Potenzial zum Weltmeister, doch sein Team wird frühestens in zwei bis drei Jahren siegfähig sein. Außerdem taugt der sympathische, aber stille Mönchengladbacher nur bedingt als Attraktion für die Fans.

Eine solche Rolle scheint eher dem vierten deutschen Formel-1-Fahrer zu liegen. Die englische Zeitung „Autosport“ will in Nico Rosberg gar den kommenden „Beckham der Formel 1“ entdeckt haben. Mit seinem fulminanten ersten Rennen, als er in Bahrain sofort in die Punkte und dazu noch die schnellste Rennrunde fuhr, und seinem weltläufigen Auftreten hat der 20-Jährige nicht nur bei Walter Kafitz die Hoffnung geweckt, er könne die Lücke ausfüllen, die Schumacher hinterlassen wird. „Das Medienaufkommen nach den ersten Rennen war enorm“, sagt Rosberg. „In Finnland war es fast noch schlimmer. Sie versuchen dort ein bisschen, mich zum Finnen zu machen.“ Dabei war er doch bisher „höchstens achtmal“ in der Heimat seines Vaters, des früheren Weltmeisters Keke Rosberg. Das Rennen um den potenziellen neuen Star hat aber das Land seiner Mutter gewonnen – bei seinem ersten Sieg würde die deutsche Hymne gespielt. Gänzlich unfinnisch ist Rosberg aber doch nicht. „Das sind sehr schüchterne Leute, aber sie sind auch Kämpfer. Ich bin auch ein Kämpfer“, erzählt er, „und ich bin auch sehr schüchtern.“ Zumindest durch die letzte Eigenschaft ist der Williams-Pilot bisher nicht aufgefallen – die Bemerkung ist wohl eher ein Beispiel für die scharfsinnige Ironie und die große Gelassenheit, mit der Rosberg dem Interesse an seiner Person begegnet.

Nur vier Rennen hat es gedauert, bis der junge Rosberg in der Formel 1 aufgegangen ist und umgekehrt. „Die Routine ist nun da, ich kenne die Abläufe“, sagt er. „Und da mich ja inzwischen auch alle kennen, ist es auch alles ein bisschen ruhiger geworden.“

Jetzt, da nun alle wissen, dass er in Wiesbaden geboren und in Monaco groß wurde, dass er sein Abitur in Nizza mit 1,2 bestanden hat, vier Sprachen fließend spricht und sich als Europäer fühlt, jetzt ist es Zeit, sich einmal mit dem Rennfahrer Nico Rosberg zu beschäftigen, von dem Frank Williams sagt: „Er zeigt alle Anzeichen eines künftigen Champions.“

Einmal in Fahrt, findet Rosbergs sonst eher zur Untertreibung neigender Teamchef, noch stark unter dem Eindruck des großartigen Rennens seines Fahrers auf dem Nürburgring, nur schwer die Bremse. „Nicht viele Piloten wären dazu in der Lage gewesen, vom letzten Startplatz auf Rang sieben zu fahren“, sagt Williams. „Nico ist talentiert, schnell und intelligent. Er besitzt die Gabe, zur richtigen Zeit das Richtige zu tun.“

Um die Frage nach seinen Fähigkeiten hinter dem Lenkrad zu beantworten, genügt dem schlagfertigen Nico Rosberg ein Wort. „Schnell“ sei sein Fahrstil, sagt er mit seinem markanten gewinnenden Lächeln, erläutert aber kurz darauf, was er damit meint: „Ich bremse eher spät, fahre eher langsam in die Kurve und eher schnell wieder hinaus.“ Das ist der Stil, der auch Michael Schumacher zu sieben WM-Titeln verholfen hat, und es gibt noch mehr Ähnlichkeiten mit dem Mann, dessen Nachfolger er irgendwann werden soll. „Nico macht praktisch keine Fehler“, sagt Frank Williams. „Er ist sehr reif für sein Alter.“ Und wie Schumacher zeigt Rosberg im Zweikampf eine erstaunliche Kompromisslosigkeit. Williams: „Das Einzige, was ihm jetzt noch fehlt, ist Erfahrung.“ Auch der Gelobte weiß, dass er sich noch sehr viel Wissen aneignen muss, um die Verheißungen zu erfüllen, die seine ersten Auftritte geweckt haben. Bereitwillig schaut er sich beispielsweise immer wieder die Cockpitaufnahmen von Williams-Testfahrer Alexander Wurz an. „Da kann ich mir viel abschauen, vor allem, was die Linienführung in den Kurven angeht.“

Aus dem „verwöhnten Einzelkind“, das nach eigener Einschätzung „faul“ und „arrogant“ war, ist ein ehrgeiziger junger Mann geworden, der „das Verlieren hasst“ und deshalb mit harter Arbeit den Erfolg sucht. „Ich will der Beste werden“, sagt er, „und dafür tue ich alles.“ Rosbergs Lernwille beschränkt sich aber durchaus nicht auf die Gegenwart. Er sei einer der wenigen Formel-1-Fahrer, die sich in der Geschichte der Formel 1 auskennen, erzählt er nicht ohne Stolz. „Geschichten über alte Helden wie Jim Clark finde ich inspirierend.“

Gut möglich, dass Rosberg nachfolgenden Fahrergenerationen selbst irgendwann einmal als Inspirationsquell dient.

Der Druck, als möglicher Nachfolger Michael Schumachers gehandelt zu werden, ist ihm jedenfalls „wurscht. Das ist im Gegenteil sehr schön, wenn man mir das Potenzial dazu unterstellt“, sagt Nico Rosberg. „Es wäre aber auch schön, wenn Michael noch einige Jahre fahren würde, damit ich noch einige Kämpfe mit ihm austragen kann.“

Christian Hönicke[Nürburgring]

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