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Sport: Schussfahrt auf den Olymp

Schweizer Defago siegt auf der Streif in Kitzbühel

Natürlich waren die Gedanken auch bei Daniel Albrecht. Als der Schweizer Skirennläufer Didier Defago gestern bei der Abfahrt zu seinem ersten Sieg auf der Kitzbüheler Streif bretterte, lag der am Donnerstag beim Training schwer verunglückte Teamkollege noch immer im künstlichen Koma. Defago hoffte, mit seinem Erfolg zumindest einen kleinen Beitrag zur Genesung geleistet zu haben. „Dani ist ein starker Junge. Das muss ihm Kraft geben, das er schnell wieder auf die Füße kommt.“ Urs Lehmann, Chef des Schweizer Verbandes SwissSki, wertete Defagos Sieg auch als „Seelenbalsam für die ganze Mannschaft“. Stürze gab es gestern auch. Den US-Amerikaner T. J. Lanning warf die Piste ins Fangnetz ab, er wurde mit dem Helikopter weggebracht – mit Verdacht auf Kreuzbandriss, eine vergleichsweise harmlose Verletzung also.

Dass Defago den größten Tag seiner Karriere mit Zurückhaltung genoss, hatte aber nicht nur mit seinem Teamkollegen Albrecht zu tun. Er ist ein schüchterner Typ und sagte, von den Gefühlen ziemlich übermannt, was jeder in Kitzbühel sagt: „Hier zu gewinnen, ist immer der größte Traum gewesen.“ Hier, im Herzen der Skiseele des Erzrivalen Österreich.

Nach Didier Cuche im Vorjahr stahl diesmal mit dem 31-jährigen Defago, der 70 000 Euro Preisgeld überwiesen bekommt, der nächste Schweizer den Hausherren die Show. Die lokalen Helden Michael Walchhofer und Klaus Kröll mussten sich mit den Plätzen zwei und drei begnügen. Damit wurde wenigstens ein klein wenig von dem Debakel von Wengen getilgt, wo vor einer Woche der beste Österreicher erst auf Platz 17 einlief – und Defago den ersten Abfahrtssieg seiner Karriere feierte. Urs Lehmann, selbst Abfahrts-Weltmeister von 1993, adelte seinen Star: „Defago war schon immer in der Weltspitze. Aber ich glaube, mit den Siegen in Wengen und Kitzbühel ist er jetzt auf dem Olymp der Abfahrer angekommen.“ Die Radarmessung stoppte Defago in Kitzbühel mit der Tages-Höchstgeschwindigkeit von 142,3 km/h. Ein Lob kam noch aus berufenem Mund, von Hermann Maier (140,3 km/h), der Defagos Fahrt so beschrieb: „Unglaublich. Kompromisslos.“ Maier seinerseits war nach zwischenzeitlicher Führung noch auf Platz zehn durchgereicht worden.

Nach 3312 Metern auf einer Piste, die nach den Regenfällen vom Vorabend einer einzigen Eisplatte glich, fehlten Walchhofer am Ende lediglich 17 Hundertstelsekunden auf den Sieger. Und Klaus Kröll, der Bulle von Öblarn, wie sie den Steirer nennen, rundete nach seinem ersten Weltcup-Sieg am Freitag im Super-G sein „perfektes Wochenende“ mit dem nächsten Podestplatz ab.

Stephan Keppler, der einzige deutsche Starter, kam gestern auf der Streif sturzfrei, aber nach einigen Fahrfehlern erst als 28. ins Ziel. „Da hatte ich mir schon ein bisschen mehr erhofft“, sagte Keppler, aber immerhin: „Das Preisgeld wird zum Feiern reichen.“ 700 Euro kassierte er noch. Was es denn für ihn zu feiern gab? Nun, er war heil ins Ziel gekommen.

Jörg Köhle[Kitzbühel]

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