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Sport: Schussfahrt im Schneegestöber

André Lange und Kevin Kuske holen unter schwierigen Bedingungen die Goldmedaille im Zweierbob

André Lange stand wie ein Feldherr oben am Start. Die Arme verschränkt, den Blick stoisch auf die Bahn gerichtet – total cool. In der Kunsteisrinne kämpften die Schneepflüge gegen die Schneemassen. Auch die Zweierbobs würden sich im vierten und letzten Lauf durch den Schnee pflügen müssen. Der Wintereinbruch, das heftige Schneegestöber konnten den 32 Jahre alten Thüringer nicht aus der Ruhe bringen, mochten sie unten am Ziel auch über einen Rennabbruch diskutieren.

„Hart an der Grenze“, fand Bundestrainer Raimund Bethge die Entscheidung, den vierten Lauf zu starten. Kein Problem für André Lange und Kevin Kuske, die Führenden nach drei Läufen. Als letzte Starter rasten sie im dichten Schneetreiben nahezu perfekt – wie im Blindflug bei Tempo 130 – dem Gold entgegen. Sie vergrößerten sogar ihren Vorsprung gegenüber dem kanadischen Rivalen, Weltmeister Pierre Lueders mit seinem eingebürgerten Anschieber aus Jamaika, Lascelles Brown, von 16 auf 21 Hundertstelsekunden. Von den Schweizern Martin Annen und Beat Hefti – insgesamt 0,35 Sekunden langsamer – hatte keine echte Gefahr mehr gedroht. Die Schweizer freuten sich wie schon in Salt Lake City über Bronze.

„Ich würde vom Sturzflug zum Olympiagold schreiben“, diktierte André Lange auf der Pressekonferenz den Journalisten die Schlagzeile und lieferte den Text gleich mit: „Das war eine kleine Lotterie. Es waren nicht die besten Bedingungen, ein richtiges Rennen zu fahren. Meine Hauptaufgabe war es, um die Schneehaufen herumzufahren.“ Das ist ihm perfekt gelungen. Auch unter widrigsten Umständen der Beste zu sein, das zeichnet eben den wahren Champion aus.

Nach dem Olympia-Triumph im Vierer vor vier Jahren schmückten sich die beiden Athleten aus Oberhof nun also auch im Zweier mit Gold und traten die Nachfolge von Christoph Langen und Markus Zimmermann an. „Seit 2002 haben wir auf diese Medaille hingearbeitet“, sagte André Lange. „Der Bob von der FES war mit ausschlaggebend.“ Er wurde von den Sportgeräte-Tüftlern in Berlin-Oberschöneweide gebaut. Mit seiner spitzeren Haube und den breiteren Spoilern wirkte er wie ein blauer Ferrari. „Besser geht’s nicht“, lobte Christoph Langen.

Auch das Malheur beim Start am Vortag hatte den Perfektionisten Lange nicht aus der Ruhe und um die Spitzenposition bringen können. Kevin Kuske, der mit seiner hünenhaften Figur unter dem Helm aussieht wie ein Linebacker von den Pittsburgh Steelers, war beim Anschieben ausgerutscht und hatte sich die Wade aufgeritzt. „Ich wollte mich abdrücken in den Bob und bin mit dem Fuß weggerutscht. Dadurch ist der Bob natürlich weitergefahren. Ich bin nicht eingestiegen, sondern reingeflogen“, sagte Kuske über den Vorfall. Bei ihrem Olympiadebüt belegten Matthias Höpfner und Marc Kühne im Bob Deutschland II, auch ein neues FES-Modell, den fünften Platz.

Der interne Verkehr rund um den Eiskanal war gestern Abend zeitweise völlig zusammengebrochen. Die Schlitten mussten nach dem dritten Durchgang wieder hoch zum Start transportiert werden. „Zum Glück hatten wir unsere Bobs schon vor dem großen Gestöber oben“, sagte Stefan Krauß, der Generalsekretär der deutschen Bobfahrer.

„Nach der Hälfte habe ich nichts mehr gesehen“, sagte Matthias Höpfner. Helfer schaufelten nach dem dritten Lauf den Schnee aus der Bahn. „Solange nicht ein Meter Schnee in der Bahn liegt, wird nicht abgesagt“, sagte ein Jury-Mitglied. Bei einem Abbruch hätte der Stand nach drei Läufen über die Medaillen entschieden. Es wäre dieselbe Reihenfolge und derselbe Sieger gewesen: André Lange.

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