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Sport: Schwach im Anzug

In der Bundesliga überzeugt Bremen offensiv, international scheitert das Team defensiv

Die Verwandlung wird wieder verwunderlich anmuten, wenn Thomas Schaaf, der so angenehm unaufgeregte Trainer von Werder Bremen, am heutigen Abend zur feinen Garderobe greift. Vor ChampionsLeague-Spielen wie dem Heimspiel gegen Udinese Calcio (20.45 Uhr/live bei Premiere) hüllt sich der 44-Jährige in einen dunklen Anzug und bindet eine Krawatte, während er im Bundesliga-Alltag ein grün-weißes Polo-Shirt oder einen grauen Kapuzen-Pulli bevorzugt. Auch Schaafs Spieler sind in dieser Saison nicht wiederzuerkennen, wenn sie die internationale Bühne betreten. Allerdings geben sie im Gewand der Champions League kein stimmiges Bild ab. Man wird den Eindruck nicht los, als sei die Champions-League-Konfektion eine Nummer zu groß.

Denn die grün-weiße Bilanz aus dem Champions-League-Jahr 2005 ist ernüchternd. Inklusive des Achtelfinal-Aus gegen Lyon und den Qualifikationsspielen gegen den FC Basel gelang in sieben Spielen nur ein Sieg und ein Remis – bei 17 Gegentoren. Nach drei Gruppenspielen sind die Bremer mit einem Punkt Letzter. „Bevor wir das Rechnen anfangen, sollten wir mal ein Spiel gewinnen“, sagt Nationalspieler Tim Borowski. Der national so gelobte Vorwärtsfußball wirkt international mitunter schlicht naiv. „Unsere Mannschaft würde aber auch in Italien in der Spitzengruppe mitspielen“, sagt Sportdirektor Klaus Allofs. Gleichwohl gibt er zu: „In der Champions League werden wir viel mehr gefordert. Immer mehr Tore zu schießen als zu kassieren, das geht nur gegen Nürnberg oder Frankfurt.“

Der bisherige Europa-Auftritt der Bremer deutet auf Rückschritt statt Fortschritt hin, zumal sich das Team im Gegensatz zu den frech-forschen Auftritten der Vorsaison fatale Fehler erlaubt. „Auf das Spiel in Athen trifft das zu“, sagt Allofs, „doch gegen Barcelona und in Udine haben wir nicht so viel falsch gemacht.“ Werders Entwicklung sei noch nicht beendet, „speziell in der Champions League lernen Verein und Spieler in jedem Spiel etwas dazu“. Doch diese Spielzeit allein als Lehrjahr zu verbuchen, ist ihm auch nicht recht. „Wenn wir schon nicht die ersten beiden Plätze erreichen, dann wollen wir wenigstens Dritter werden, um im Uefa-Cup weiterspielen“, sagt Allofs. Doch das wäre gemessen am gestiegenen Anspruch allenfalls ein Trostpflaster.

Die Abwehr ist dem internationalen Anspruch am wenigsten gewachsen. Sogar teamintern ist die fehlende Stabilität ein Kritikpunkt. „Eine Klassemannschaft gewinnt auch mal 1:0“, sagt Torsten Frings, der jene defensive Qualitäten vermisst, die er in der vergangenen Saison beim FC Bayern kennen gelernt hat. Dass Bremens brasilianischer Innenverteidiger Naldo schon zur Halbzeitpause mit Barcelonas Superstar Ronaldinho das Trikot tauschte, dient als Symbolszene der bisherigen Einfältigkeit.

Schaaf stellt sich zwar stets schützend vor seine junge Abwehr, doch die Nachlässigkeiten von Patrick Owomoyela (25 Jahre), Naldo (22), Leon Andreasen (22) und Christian Schulz (22) sind in der Champions League nicht mehr durch den Angriff zu kaschieren. Schließlich haben „unsere Gegner alle sehr gute Abwehrspieler“, wie Johan Micoud einräumt. Torjäger Miroslav Klose hat festgestellt, dass „international defensiver agiert wird und die Partien knapper sind“. Dennoch warnt Kloses Sturmpartner Ivan Klasnic vor allzu pessimistischen Betrachtungen: „In der Champions League musst du schneller denken und schneller spielen – dann haben wir auch wieder Erfolg.“

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