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Sport: Schweigen für Gold

Schützin Pfeilschifter zieht Lehren aus Sydney

Athen - In den zurückliegenden Wochen hat sich Sonja Pfeilschifter ganz bewusst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Die Sportschützin schwieg, während Athleten aus vielen anderen olympischen Randsportarten vor Olympia fleißig Öffentlichkeitsarbeit betrieben. „Ich möchte mich in Ruhe vorbereiten und nicht ständig Interviews geben“, erklärte die 33-Jährige. „Vom Bundestrainer habe ich mir das Okay geholt, dass ich bis zu den Wettkämpfen nichts mehr sagen muss. Das gilt für alle Medien.“

Die selbstverordnete Zurückhaltung hat historische Gründe. 2000 in Sydney war Pfeilschifter wie heute, wenn sie im Schießzentrum von Markopoulo ihr Luftgewehr in den Anschlag bringt, als haushohe Favoritin angetreten. Damals hatte die nur 1,56 m große Schützin, da sie ebenfalls für den ersten deutschen Olympiasieg in Frage kam, ein Interview nach dem anderen gegeben. Letztlich war die Konzentration weg: Pfeilschifter kam im Finale, das sie als Dritte erreicht hatte, nur auf den fünften Platz. Im anschließenden Gespräch mit einem Fernsehsender brach die impulsive Frau aus dem bayerischen Eching in Tränen aus und schluchzte: „Olympia mog mi net, und i mog Olympia net.“

Die Funktionäre des Deutschen Schützenbundes haben das nicht vergessen. „So schön das für unsere Sportart ist, von den Journalisten hofiert und gut verkauft zu werden, so müssen diese Interessen diesmal leider in den Hintergrund rücken“, sagt Heiner Gabelmann, der deutsche Teamleiter in Athen, während draußen am Stand die Trainingsschüsse knallen. Aber nach dem medaillenlosen „Desaster in Sydney“ hätten sich Verband und Athleten darauf verständigt, auf Prognosen völlig zu verzichten. „Meistens kommt sowieso nur die unvermeidliche Frage nach der Goldmedaille“, vermutet Gabelmann. Als Boykott will er das aber keinesfalls verstanden wissen.

Gabelmann sagt: „Beim Schießen geht es nun einmal vor allem um psychische Leistungsfaktoren.“ Bei dem Auftrag Wiedergutmachung wird viel von Pfeilschifter von der HSG München abhängen. Ihr heutiger Auftritt beim ersten Wettkampf wird Signalwirkung haben, ob sie möchte oder nicht. Deshalb wird sie ihre bitteren Erfahrungen von vor vier Jahren verdrängen müssen. Bereits in Barcelona 1992 zählte sie zu den Medaillenkandidatinnen, aber die noch junge Athletin belegte am Ende nur Platz 30. Für Atlanta 1996 qualifizierte sich die dreimalige Weltmeisterin gar nicht erst. So gesehen war Sydney nur eine Fortsetzung jener Enttäuschungen, die sie bisher im olympischen Zyklus heimsuchten. Doch nun glaubt nicht nur Gabelmann an ein Ende des Nervenflatterns bei Sonja Pfeilschifter, die auf eine psychologische Betreuung vor und während Olympia verzichtet. Wahrscheinlich ist aber, dass sie sich vor dem Finale eine Zigarette zur Beruhigung anstecken wird. Auf dass es sich in Rauch auflösen möge, dieses verfluchte olympische Trauma.

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