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Sport: Schweigender Protest

In Herthas Trainingslager stiftet nicht nur Marcelinho Unruhe – elf Spieler weigern sich, Fragen des Klubs schriftlich zu beantworten

Ellery Cairo und Malik Fathi hatten keinerlei Probleme mit dem Thema. „Ich habe das handschriftlich gemacht. Die beiden Fragen habe ich beantwortet, fertig“, sagt Cairo, der Mittelfeldspieler des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC. Fathi hat es genauso gemacht. Die beiden jungen Profis haben jeweils eine Seite bei Kotrainer Andreas Thom eingereicht. Der Inhalt sei vertraulich, sagen beide. Nach dem verlorenen Pokalspiel gegen den FC St. Pauli kurz vor Weihnachten hatte Manager Dieter Hoeneß die Spieler dazu angehalten, zwei Fragen schriftlich zu beantworten: Was bedeutet mir Hertha BSC? Was kann ich tun, um dem Verein zu helfen? Am vergangenen Freitag sollten sie die Texte abgeben. Doch nicht alle Profis hatten damit so wenig Probleme wie Cairo und Fathi. Gleich elf Spieler haben nichts abgegeben, darunter wohl auch die Stammspieler Dick van Burik, Yildiray Bastürk, Niko Kovac, Josip Simunic, Marcelinho und Gilberto. Das wurde gestern aus Vereinskreisen bestätigt.

Von den Spielern, die nichts schriftliches eingereicht haben, wollte sich nur Gilberto offiziell zu dem Thema äußern. Der Brasilianer erzählte, dass er sich zwar Gedanken über die Fragen gamacht habe, diese ihm zum Aufschreiben jedoch zu intim seien. Er will stattdessen mit Manager Dieter Hoeneß sprechen. Hoeneß sagte, dass es für ihn keine Rolle spielen würde, in welcher Form sich die Fußballer über ihre Situation und den Klub äußern. „Ich habe es nur deshalb schriftlich gewollt, damit sich die Spieler mehr Gedanken machen.“ Mit denen, die nichts eingereicht haben, werde er sich eben mündlich auseinandersetzen. Ein Insider glaubt allerdings, dass viele Profis aus Protest kein Schriftstück eingereicht haben. Sie wollten damit ein Zeichen setzen gegen den für sie unsinnigen Auftrag.

Es trägt nicht eben zur Entspannung bei, dass Herthas Star Marcelinho am Mittwoch im Trainingslager in Marbella verkündete, seinen bis 2007 laufenden Vertrag wahrscheinlich nicht verlängern zu wollen. Hoeneß gab sich öffentlich zwar gelassen, „weil es bis dahin noch eineinhalb Jahre sind und das im Fußball sehr lang ist“. Er versuchte, das Vorpreschen des Brasilianers als nicht ernstzunehmend abzutun.

Möglicherweise ändern sich Marcelinhos Ansichten tatsächlich noch einmal vor dem Sommer 2007. Die Frage ist aber, weshalb der Brasilianer der Öffentlichkeit jetzt mitgeteilt hat, dass er gehen will. Marcelinho wollte damit wohl seine Unzufriedenheit über die Lage bei Hertha ausdrücken. Über die gespaltene Mannschaft und den immer noch ausbleibenden Erfolg. Hertha steht in der Bundesliga zwar auf dem fünften Platz, auf den dritten hat der Klub allerdings zehn Punkte Rückstand. Im Training wirkt Marcelinho momentan erstaunlich fröhlich. Während einer Übungseinheit rannte er gestern über den gesamten Platz, um dem Verteidiger Alexander Madlung für ein gutes Zuspiel zu danken. Auch die anderen Spieler geben sich Mühe, nett zueinander zu sein und sich auf dem Platz gegenseitig zu unterstützen. Nur außerhalb des Feldes wirken einige mürrisch. Ganz anders Manager Dieter Hoeneß. Er bildet einen Gegenpol und gibt sich entspannt.

Vertragsgespräche mit Spielern will Hoeneß im Trainingslager nicht führen. Allerdings laufen zwölf Verträge im Sommer aus. Der Mannschaft steht ein gewaltiger Umbruch bevor. Der Manager hat in Kürze viele Entscheidungen zu treffen, die die Entwicklung des Klubs in den kommenden Jahren prägen werden.

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