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Sport: Schwierig ist besser

Warum Herthas Manager Dieter Hoeneß noch an seinem Trainer Huub Stevens festhalten will

Berlin. Seit sieben Jahren lebt Huub Stevens jetzt in Deutschland, und noch immer lernt der Niederländer Neues hinzu. In dieser Woche wurde er mit der urdeutschen Weisheit konfrontiert, dass ein Trainer erst dann als echter Trainer gelte, wenn er mindestens einmal entlassen worden ist. Stevens lachte, als er das hörte. Er ist in seiner Karriere noch nie entlassen worden.

So, wie es im Moment aussieht, steht der Coach von Hertha BSC kurz vor seinem zweiten Trainerexamen. „Stevens muss weg!“, forderte die „Bild“-Zeitung am Donnerstag auf ihrer Titelseite. Am Trainingsplatz hatten die Fans Transparente aufgehängt – gegen die Spieler: „Eure Leistung purer Hohn, euer Charakter eine Schande.“ Trotzdem gilt das Bundesligaspiel am Samstag gegen Leverkusen in der Öffentlichkeit als Stevens’ ganz persönliches Finale. Deutliche Zeichen in diesem Sinne aber gibt es kaum (siehe Bericht rechts). Für Dieter Hoeneß wäre es „der einfachste Weg, eine Personalentscheidung zu treffen. Dann heißt es: Jetzt hat er gehandelt“. Aber man müsse sich auch fragen: Was kommt danach? „In diesem Fall ist der schwierige Weg der richtige.“

Hoeneß bemüht sich nach Kräften, nicht einmal eine Diskussion aufkommen zu lassen – was in der aktuellen Situation so aussichtsreich erscheint wie die Bekämpfung einer Hochwasserflut mit Teelöffeln. Herthas Manager will die Öffentlichkeit „nicht an meinen Planspielen beteiligen“. Man könnte das auch so deuten, dass es zumindest Planspiele gibt. Aber Hoeneß weiß, dass die Diskussion um den Job eines Trainers schnell eine eigene Dynamik erlangt und sich am Ende nicht mehr steuern lässt. „Ich habe mit keinem anderen Trainer gesprochen", sagte Hoeneß.

Welchen Wert besitzen solche Aussagen für Stevens? Meist besteht eine umgekehrte Proportionalität zwischen der Intensität der Treuebekundung für einen Trainer und der Sicherheit seines Arbeitsplatzes. Stevens aber hat das Gefühl, von Menschen umgeben zu sein, „die ehrlich sind und die Wahrheit sagen“. So ähnlich hat er das auch bei Schalke erlebt, als die Fans gegen ihn waren, Manager Rudi Assauer seinen Trainer jedoch gegen alle Widerstände verteidigte. „Dieter Hoeneß sieht auch, dass das Problem nicht der Trainer ist“, sagte Stevens.

Diese Wahrnehmung kontrastiert inzwischen aufs Entschiedenste mit den Empfindungen der Öffentlichkeit. Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ist die Mannschaft zu schlecht besetzt. Oder dem Trainer gelingt es nicht, aus guten Spielern ein funktionierendes Ensemble zu bilden. Im ersten Fall müsste Hertha neue Spieler verpflichten; im zweiten einen neuen Trainer.

Die Vorwürfe gegen Stevens konzentrieren sich im Moment auf taktische Verfehlungen. „Bild“ warf Stevens nach dem 0:1 bei Grodzisk eine „Hose-voll-Taktik“ vor. Die Kritiker bemängelten seine übervorsichtige Aufstellung, vor allem, weil er Michael Hartmann und Andreas Schmidt aufgeboten hatte. Stevens gehört zu den Trainern, die Journalisten nur eine bedingte Einsicht in die Funktionsweise des Fußballspiels zuerkennen. Und weil er gelesen hatte, dass er gegen Grodzisk mit einer Viererkette gespielt habe, „frag ich mich, wer da Ahnung hat“.

Stevens hat auch in Polen die Aufstellung gewählt, „von der ich denke, dass sie erfolgreich ist“. Aber man kann auch das Richtige tun und das Falsche erreichen. Stevens hat mit der Nominierung von Hartmann und Schmidt die Lehren aus dem Hinspiel gezogen, als Grodzisks Offensivleute unbehelligt über Herthas linke Abwehrseite und durch das zentrale Mittelfeld stolzieren konnten. Am Mittwoch war dies nicht der Fall, allerdings nahm Stevens in Kauf, dass in der ersten Hälfte kaum eigenes Offensivspiel stattfand. Im Grunde hatte der Gegner Herthas Team aufgestellt. Anstatt eigene Stärken zur Geltung zu bringen, hatte Stevens versucht, die Stärken von Grodzisk zu bekämpfen.

Von eigener Stärke ist bei Hertha nicht viel übrig geblieben. Hoeneß sagte, die Mannschaft müsse versuchen, „mit Kampf die Situation zu unseren Gunsten zu wenden“. Solche Aussagen gehören zum Standardwortschatz Abstiegskampf. „Es gibt Situationen, die man nicht erklären kann“, sagte Hoeneß. „Da braucht man Stehvermögen.“ Dieter Hoeneß steht vor einer neuen Herausforderung.

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