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Sport: Schwimm-Weltmeisterschaften: Im Rausch der Wellen

Immer wieder schüttelte Peggy Büchse den Kopf. Noch lange, nachdem sie aus den dreckigen Fluten der Hakata-Bay, direkt vor Fukuoka, geklettert war, konnte die Rostockerin ihren Triumph nicht fassen.

Immer wieder schüttelte Peggy Büchse den Kopf. Noch lange, nachdem sie aus den dreckigen Fluten der Hakata-Bay, direkt vor Fukuoka, geklettert war, konnte die Rostockerin ihren Triumph nicht fassen. "Das ist unglaublich, das ist der Wahnsinn", stammelte die 28-jährige Studentin. Nach Silber über fünf Kilometer zum Auftakt der Weltmeisterschaften im Schwimmen am Montag gewann sie zwei Tage später die Zehn-Kilometer-Distanz. Und ihr Trainer Christian Bartsch durfte sich bestätigt fühlen. "Eine Peggy Büchse verliert nur einmal", hatte er vor dem Rennen gesagt.

Das hatte sich gut angehört, es glaubte außer ihm nur keiner. Zumindest nicht während des Rennens. 1,5 Kilometer waren noch zu absolvieren, und klar schien nur eines zu sein: Peggy Büchse wird bestimmt nicht gewinnen. Nur Bartsch glaubte an sie, als wäre ihr Sieg ein Naturgesetz. Peggy Büchse setzte dann, 1500 m vor dem Ziel, ganz irdische Kräfte ein. Mit einem energischen Endspurt sprintete sie an die Spitze und schwamm die Konkurrenz bei Wind und Wellen noch in Grund und Boden. Sie schlug nach 2:17,32 Stunden an, Britta Kamrau (Rostock) durfte erst 1:28,00 Minuten später aufhören - als Sechste.

"Die letzten 100 Meter waren einfach herrlich, es war einfach der absolute Wahnsinn", sagte Peggy Büchse am Ufer. "Es sah lange Zeit ganz anders aus, und jetzt bin ich Weltmeisterin", sagte sie weinend. Ein rührendes Bild. Aber es täuscht ein bisschen diese extreme Besonderheit vor; als wäre es eine Riesensensation, dass Peggy Büchse noch so nach vorn gedrängt war.

Dabei war es nicht viel mehr als das Resultat der klugen Taktik einer routinierten Athletin. Als die 28-Jährige ihre Aufholjagd startete, lag sie auf Platz sechs. Meter um Meter schob sie sich dann nach vorne. "Ich wusste, dass sie einen starken Endspurt hat, dementsprechend war unsere Taktik auch ausgelegt", sagte Christian Bartsch. "An der letzten Boje sagte ich mir: Jetzt gibst du alles", erinnerte sich seine Athletin. Die letzten 500 Meter schwamm sie wie im Rausch.

Natürlich hatte sie auch Wut im Bauch. Was ist Silber für sie? Etwas Schönes - wenn ihr Rennen gut war. Eine vergebene Chance - wenn es bei ihr nicht gelaufen war. Und über fünf Kilometer hatte sie nicht das Gefühl, alles aus sich herausgeholt zu haben. Deshalb waren die zehn Kilometer nicht bloß eine WM-Strecke, sie waren die Chance zur Rehabilitierung. Es war etwas sehr Persönliches. Sie muss vor sich bestehen können, das ist die Philosophie der Peggy Büchse, dann erst kommen Trainer oder andere Beobachter. Spitzensportler denken so, Peggy Büchse ist da nicht anders als viele andere Top-Stars auch. Deshalb sagte sie auch: "Ich habe mich heute übertroffen." Man muss diesen Satz richtig übersetzen. Er bedeutet im Klartext: Heute habe ich meinen eigenen extremen Ansprüchen genügt.

"Ich glaube, die Beckenschwimmer müssen aufpassen", sagte Bartsch. Müssen sie nicht allzu sehr. Bartsch sagt das in der Euphorie. Peggy Büchse tritt auch über 1500 m an, im Becken, bei extrem ruhigem Wasser. Dann will sie das wirklich Besondere: Medaillen im Freiwasser und im Becken. Das wäre auch für eine Peggy Büchse der ultimative Kick. Über 1500 m Freistil, für Frauen erstmals im WM-Programm, liegt sie derzeit auf Platz drei der Weltrangliste. Hört sich gut an, bedeutet aber nicht allzu viel. Viele Konkurrenten können noch enorm zulegen.

Eine Medaille für Peggy Büchse? Kaum. Na und? Wäre das schlimm? Für eine euphorisierte Peggy Büchse bestimmt. Sie hätte dann nach langer Zeit wieder ihre absoluten Grenzen erkannt.

Hans-Peter Sick

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