zum Hauptinhalt
Absprung. Aus 20 Metern Höhe sauste Anna Bader ins Hafenbecken von Barcelona. Foto: dpa

© dpa

Schwimm-WM: Anna Bader holt Bronze im Klippenspringen

Die deutsche Studentin verpasst in Barcelona knapp die Goldmedaille. Siegerin wird Cesilie Carlton aus den USA.

Als Anna Bader im Hafen von Barcelona um kurz nach fünf hinter ihr Medaillenpodest tritt, ist ihre Haltung so wie früher – als sie noch Kunst- und Geräteturnerin war. Die Beine durchgedrückt, leichtes Hohlkreuz, den Oberkörper gestrafft wie vor dem Anlauf zu einem doppelten Flic Flac. So steht die Klippenspringerin aus Mainz da. Dann tritt sie hinauf aufs Podium, strahlt, winkt, zwinkert in die Kameras der acht Fotografen und lässt sich anschließend ihre Bronzemedaille um den schlanken Hals legen.

Für die 29 Jahre alte Studentin ist es das erfreuliche, aber nicht restlos glückliche Ende einer Premiere. „Ich ärgere mich schon ein bisschen“, sagt sie, als die Fotografen ihre Objektive weggepackt haben, und nimmt sich für künftige Weltmeisterschaften gleich an Ort und Stelle in die Pflicht. Was nun zu tun sei? „Härter trainieren“, sagt Bader, „und in Zukunft hoffentlich gewinnen.“ In einer noch weitgehend unbekannten Sportart, die an allen drei Finaltagen in Barcelona trotz stolzer Eintrittspreise ausverkauft ist. 37,50 Euro kostet ein Ticket für die Tribüne, 27,50 zahlt man fürs Zuschauen aus einer Ecke.

Und so drücken sich auch beim Showdown der sechs schwindelfreien Frauen am Dienstag wieder Hunderte Zaungäste an den Gittern rund um das WM-Areal die Nasen platt. Die vielen Deutschen unter ihnen wollen vor allem einen Blick auf Anna Bader erhaschen. Auf die siebenmalige Europameisterin, die sich letztlich hinter den Amerikanerinnen Cesilie Carlton und Ginger Huber einreihen muss.

Mit 13 begann Bader mit dem Wasserspringen, vier Jahre später entdeckte sie bei einem Urlaub auf Jamaika ihre Leidenschaft für die richtig großen Höhen. Von den einheimischen Jungs wurde sie ermuntert, mit ihnen von den Felsen ins Meer zu springen. Sie ließ sich überreden, vollführte schon bald die wildesten Sprünge, von morgens bis abends. Fünf Jahre später war sie zum ersten Mal Europameisterin.

Nun kam Bronze bei der WM-Premiere der Klippenspringer hinzu. Im Duell Frau gegen Frau. Das war in der Vergangenheit anders. Der erste offizielle Wettkampf für Klippenspringerinnen fand erst vor zweieinhalb Wochen im italienischen Malcesine statt. Mangels weiblicher Konkurrenz maß sich Bader, die sich kurz vor der WM im Playboy ablichten ließ, bis jetzt fast immer nur mit Männern. Barcelona ist Neuland für sie, ähnlich wie die WM-Stätte selbst.

In der Moll de la Fusta liegt eine Yacht neben der anderen, von steilen Felsen ist weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen kraxeln die Damen auf einem gewaltigen Gerüst hinauf an ihren Arbeitsplatz. Es ist ein Anstieg wie in einem riesigen Freilufttreppenhaus. Dann zeigen die Teilnehmerinnen je einen Pflichtsprung und zwei Kürsprünge. Weil sich Klippenspezialisten bei Rekordversuchen in der Vergangenheit bei der Landung im Wasser schon mal die Beine brachen, schnorcheln direkt neben der Eintauchstelle zur Sicherheit zudem stets drei Taucher herum – um im Fall der Fälle sofort zur Stelle zu sein. Und auch die andächtige Stille, die sich vor jedem Sprung über die WM-Stätte legt, vermittelt zumindest einen Hauch von dem nach Gefahr schmeckenden Lebensgefühl dieser Extremsportler.

Für den österreichischen Brausehersteller Red Bull ist das genau der richtige Mix: Die Marketingabteilung des Konzerns nahm das äußerst telegene Klippenspringen gewohnt zielgerichtet in sein Repertoire auf und führte vor vier Jahren eine professionelle Weltcupserie ein. In der wird nicht von funktionalen Gerüstbauten wie momentan in Barcelona gesprungen, sondern an atemberaubenden Orten auf den Azoren, Hawaii, Korsika oder in Rio de Janeiro. Aber auch schon mal vom Opernhaus in Kopenhagen oder vom Museumsschiff Rickmer Rickmers in Hamburg.

Ein Segelschiff, das wie die Hoppetosse von Pippi Langstrumpfs Papa Efraim aussieht, ankert auch in der Moll de la Fusta. „Par Barcelona“ heißt es und schaukelt nur 20 Meter vom Springergerüst entfernt vor sich daher. Auf der linken Seite des Bootes sitzen sieben ganz in weiß gekleidete Männer und schauen auf das nicht eben blitzsaubere Wasser.

Anna Bader zumindest verteidigt es nach ihren drei Sprüngen aus 20 Meter Höhe. „Es ist salzig, ich habe Fische gesehen. Irgendwas lebt da drin, es kann nicht so schlecht sein“, sagt die Frau, die in Mainz Englisch, Spanisch und Geografie studiert, bei einem fünfmonatigen Gastaufenthalt in Madrid mit Kunststücken in der Fußgängerzone ihren Lebensunterhalt verdient hat und in Macau drei Jahre lang eine Attraktion in einer Aquatic Show war. Dort allerdings hat Anna Bader kürzlich gekündigt – wegen der WM-Premiere in Barcelona.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false