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Steffen

© dpa

Schwimm-WM: Britta Steffen und das perfekte Rennen

Die Berlinerin Britta Steffen gewinnt mit Weltrekord den WM-Titel über 100 Meter Freistil und hat nur noch ein Ziel.

Am Ende war Signore Cametti dann doch noch galant zu Britta Steffen. Mehr als eine Stunde lang hatte die blonde Schwimmerin aus Berlin den grauhaarigen Conferencier der Pressekonferenz bei der WM in Rom zur Weißglut getrieben. Und alles hatte mit einem souveränen Sieg begonnen: Dem Triumph der Britta Steffen von der SG Neukölln über 100 Meter Freistil. Die 25-Jährige hatte 2008 auf dieser Distanz Gold bei den Olympischen Spielen gewonnen. Gestern gewann sie den WM-Titel – in Weltrekordzeit. 52,07 Sekunden benötigte sie, 15 Hundertstelsekunden weniger als bei dem Weltrekord, den sie bei der WM als Startschwimmerin der Staffel erreicht hatte.

Im Wasser lag sie sich mit ihrer befreundeten Gegnerin Lisbeth Trickett, die gestern Dritte wurde, in den Armen. Auf dem Siegerpodest sang Steffen sogar sanft die deutsche Nationalhymne mit, tanzte anschließend mit der Australierin Trickett und der WM-Zweiten Fran Halsall aus England ein wenig auf dem Podium, verschwand gefühlt 40 Minuten beim ZDF und gab eine Dopingprobe ab. Und Camillo Cametti wartete und wartete. So etwas hatte er selten erlebt. Cametti wollte schon die offizielle Gesprächsrunde mit Steffen absagen. Dann aber kam die 25-Jährige, beantwortete brav alle Fragen, so dass Cametti sie schließlich sogar höflich auf Deutsch verabschiedete: „Vielen Dank. Auf Wiedersehen.“

Das äußere Durcheinander passte zur Gefühlswelt der 25-Jährigen. Denn die fühlte sich enorm unter Druck gesetzt, weil jeder mit einem Sieg und, schlimmer noch, viele auch zugleich mit einem Weltrekord rechneten. Zwischenzeitlich, erzählte ihre Managerin später, habe Steffen sogar überlegt, ihre urlaubende Psychologin Friederike Janofske telefonisch zu Rate zu ziehen. Sie verzichtete dann doch. Und später war sie unheimlich stolz darauf.

Schließlich ist die Studentin des Wirtschaftsingenieurwesens gerade dabei, sich von Janofske abzunabeln. „Es war so wichtig, dass ich sie nicht angerufen, dass ich mir das selbst bewiesen habe, dass ich nicht zusammen gebrochen bin“, sagte Steffen, als die Goldmedaille um ihren Hals baumelte. Klar, in Peking habe sie auch großen Druck verspürt. „Aber jetzt dachten vorher alle: Das wird ja wohl kein Problem sein, das Rennen zu gewinnen.“

Kein Problem? Diese Leute hätten mal sehen sollen, wie Steffen aufgeregt durchs Hotelzimmer tigerte. Eine Stunde vor dem Start, sagte sie, sei es besonders schlimm geworden. „Mir war schlecht.“

Ab 18.05 Uhr Ortszeit war die Übelkeit dann mit einem Schlag verflogen. Da war sie Weltmeisterin. Auf der Nebenbahn strahlte Trickett die Deutsche mit aufgerissenem Mund an. Die beiden schätzen sich sehr. „Wenn ich gut drauf bin und in einem stinknormalen Badeanzug schwimme, schaffe ich eine Zeit um die 54 Sekunden. Es spricht für sich, dass ich hier knapp über 52 Sekunden geschwommen bin“, sagte Steffen. Fair wie immer.

Bevor sie mit ihrem Freund in einen schönen Abend starten konnte, hatte sie für den Weltverband noch einen Vorschlag: „Das Beste wäre wirklich, einen radikalen Schnitt bei den Weltrekorden zu machen und eine ganz neue Liste anzulegen.“ Denn Steffen ahnt schon: „Mein Rekord über 100 Meter Freistil wird eine ganze Zeit Bestand haben.“ Ab 2010 sind High-Tech-Anzüge verboten.

Britta Steffen wird auch noch in Rom bleiben, zumindest eine kleine Weile. Am Sonntag bestreitet sie noch das Finale über 50 Meter Freistil, und mit der Lagenstaffel geht sie auch noch an den Start. Zunächst einmal aber genoss die neue Weltmeisterin aus Berlin die warmen Worte von Trickett („Britta Steffen ist so eine faire Sportlerin – und sie ist ein phänomenales Rennen geschwommen“) und die eigenen Erinnerungen an das vorangegangene Finale: „Keine ist davon gedonnert, keine hat überdreht. Dann macht so etwas großen Spaß.“

Noch aber hat sich die Weltmeisterin, Weltrekordlerin und Doppel-Olympiasiegerin nicht jeden Wunsch erfüllt. Drei weitere Jahre noch im Pool, bis zu den Olympischen Spielen in London 2012, das kann sie sich „gut vorstellen“. Denn nun ist der ultimative Kick die letzte große Herausforderung: „Nach diesem Triumph will ich jetzt das perfekte Rennen liefern.“

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