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© dpa

Schwimm-WM: Die deutsche Welle

Biedermanns Sieg Über Phelps war Höhepunkt der WM. Die DSV-Schwimmer erklären ihre extremen Leistungssprünge vor allem mit einem enormen Teamgeist.

Annika Mehlhorn strahlt, als hätte sie ein Auto gewonnen. Sie hat aber gerade bei der Schwimm-Weltmeisterschaft mit 2:06,45 Minuten nur den Deutschen Rekord über 200 Meter Schmetterling verbessert. Allerdings: Sie war drei Sekunden schneller als bei den deutschen Meisterschaften. Natürlich nimmt niemand außerhalb der deutschen Mannschaft von dieser Bestleistung Notiz. Viele haben ja nicht einmal den Weltrekord richtig registriert, der in diesem Rennen aufgestellt worden ist, die 2:04,14 Minuten von Mary Descenza (USA). Es war ja nur ein Vorlauf, und es war der 16. Weltrekord bei dieser WM. Wenn es so weiter geht, muss am Ende der WM jeder Topschwimmer, der keinen Weltrekord aufgestellt hat, Angst um seine Sponsorenverträge haben.

Mehlhorn spricht für das Gefühl, das die ganze deutsche Mannschaft durchflutet. „Die Atmosphäre hier ist große Klasse, das saugt man alles in sich auf.“ Alles läuft gut für die Deutschen. Paul Biedermann verbessert die Weltrekorde von den Schwimm-Legenden Ian Thorpe und Michael Phelps, Helge Meeuw gewinnt Silber, Britta Steffen schwimmt in der Staffel Weltrekord – was für ein Kontrastprogramm zu den Auftritten in Peking und bei der WM 2007 in Melbourne, bei denen die Deutschen mit dem Zählen ihrer Pleiten kaum nachgekommen waren.

Der bisherige Höhepunkt aber war der Sieg Biedermanns über Michael Phelps. Begeistert hüpfte auch Britta Steffen auf den Zuschauerrängen auf und ab, und klatschte Beifall. Später sagte sie: „Ich hatte einen der schönsten sportlichen Tage meines Lebens.“ Biedermann hatte im Teamhotel nur mit einem Glas Sekt auf seinen Titelgewinn und seinen Weltrekord (1:42,00) angestoßen. Obwohl er Anlass gehabt hätte, eine Party zu schmeißen. Er hatte Phelps ja regelrecht demontiert. Und er hatte dessen Bestmarke um fast eine Sekunde gesteigert.

Aber Biedermann ist sich ziemlich sicher, dass er seinen Rekord in absehbarer Zeit verlieren wird. „Ich glaube nicht, dass der Weltrekord in Stein gemeißelt ist.“ Sein italienischer Ausrüster schaltete eine ganzseitige Anzige in der Zeitung „Gazetta“. Titel: „Gold Paul Gold.“ Und gestern schwamm Daniela Samulski im Halbfinale über 50 Meter Rücken auch noch Weltrekord (27,39 Sekunden). Doch Minuten später verbesserte die Russin Anastasia Zuewa diese Marke auf 27,38 Sekunden. Hendrik Feldwehr aus Essen belegte über 50 Meter Brust im Finale in 26,95 Sekunden Platz vier.

Teamgeist ist das Schlüsselwort im deutschen Schwimmen. Die Mitglieder der Nationalmannschaft sind so sensibel, dass sie sich von den Leistungen der Teammitglieder sofort beeinflussen lassen. Negativ ebenso wie positiv.

Doch die bisherige deutsche Bilanz wird ja nicht bloß mit Spirit, guter Vorbereitung und den neuen Anzügen erklärt. In der Diskussion taucht auch immer wieder das Wort „Doping“ auf. Mit Fragezeichen. Es gibt keinen konkreten Verdacht, es ist bloß eine Chiffre für die Hilflosigkeit, mit der viele Beobachter vor diesen Leistungssprüngen stehen. Doping? Diese Frage bezieht sich auch auf alle Topleistungen in Rom.

Bis Dienstag hat es keinen Blutdopingtest gegeben, und bis WM-Ende sind auch keine Tests geplant. Laut ARD sind vor allem in der heiklen Phase unmittelbar vor der WM Trainings- und Blutkontrollen im Vergleich zu den Vorjahren auf Null zurückgegangen. „Das ist mir auch aufgefallen“, sagt Biedermann. Er beteuert aber auch: „Ich bin oft kontrolliert worden. 2009 so oft wie nie zuvor.“

Dirk Lange, der deutsche Bundestrainer, nimmt seine Sportler in Schutz: „Dem Sportler kann man nichts vorwerfen, aber der Weltverband muss handeln.“ Doch Doping-Experte Fritz Sörgel sagt: „Wenn das mit den Tests so stimmt, muss man ja fast schon den Radsport loben.“

Trotzdem wollen sich Deutschlands Schwimmer ihre Freude nicht trüben lassen. „So viel Teamgeist hatten wir noch nie“, sagt Mehlhorn. „Diesmal gibt es keine Grüppchenbildungen, keiner tuschelt hinter deinem Rücken.“ Früher, sagt sie, hätten sich die Stars im Team „für etwas Besseres gehalten.“ Und so ist ein Zustand erreicht, den zuletzt der frühere DSV-Sportdirektor Ralf Beckmann 2002 mit seiner altväterlichen Art hinbekommen hat. „Wir haben einfach unheimlich viele neue Leute dabei“, sagt Mehlhorn. „Jung, motiviert, innovativ.“

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