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© dpa

Schwimmen: Der sanfte Koloss

Alain Bernard ist Olympiasieger, in Frankreich aber steht er im Schatten der Schwimm-Diva Manaudou.

Berlin - Er hat nicht mehr Oberarme wie junge Baumstämme, das fällt auf. Als Alain Bernard in Peking, bei den Olympischen Spielen, Weltrekord über 100 Meter Freistil schwamm, als er über die Strecke auch Gold holte, da sah er aus wie Schwarzenegger in der fortgeschrittenen Aufbauphase. Neun Kilogramm Muskelzuwachs in einem Jahr, dazu fiel dem früheren italienischen Weltklasseschwimmer Filippo Magnini nur ein, dass Bernard „gute Vitamine gefunden“ hätte.

In Berlin, beim Weltcup, gewann der Franzose über 50 und 100 Meter Freistil, aber er zog sich mit dünneren Oberarmen durchs Wasser. Es war halt wenig Zeit nach Peking zum Training. Bernard wurde oft eingeladen, durfte am Tandem Fallschirmspringen, kochte mit Kumpels und gründete mit Freunden die Marketingagentur „AB shark“. Auf einen Oberarm hatte er sich einen Hai tätowieren lassen, deshalb „shark“. Über die Agentur laufen jetzt alle Anfragen.

Es kommt einiges rein, aber es könnte mehr sein. Alain Bernard aus Anti bes, der Mann, der in der Königsdisziplin des Schwimmens Weltrekorde pulverisier te, landete bei der Wahl zum „populärsten Sportler Frankreichs 2008“ auf Platz 15. „L’Équipe“, die Sportzeitung, hatte vor einer Woche ihre Leser abstimmen lassen. Ergebnis: Sieg für Fußballprofi Thierry Henry, Platz drei: Laure Manaudou.

Damit ist alles klar: Manaudou bleibt das Gesicht des französischen Schwimmens. Einer wie Bernard liefert zwar aktuell die Top-Zeiten und -Ergebnisse. Er ist sportlich derzeit der große Star. Manaudou dagegen hat bis zum vergangenen Wochenende seit Olympia kein Rennen mehr bestritten. Und in Peking reiste sie ohne Medaille ab. Egal, sie bleibt die Nummer eins.

Denn Manaudou gewann als erste französische Schwimmerin 2004 Olympiagold, sie ist dreifache Weltmeisterin und Weltrekordlerin. Aber sie ist vor allem die große Diva. In den vergangenen 18 Monaten arbeiteten sich vier Trainer an ihren Launen ab. Als sie in Mühlhausen trainierte, jettete sie in der Olympiavorbereitung plötzlich zu den French Open. Ihr ahnungsloser Trainer konnte am nächsten Tag in allen Boulevardzeitungen lesen, wo sein Schützling war. Dass sie in Peking ohne Medaille blieb, überraschte keinen.

Vor zwei Wochen musste sie dann auch noch weinen. In Marseille, bei ihrem neuesten Klub, gibt’s ein nettes Spielchen. Topstars des Vereins kreuzen das Becken, in der Mitte warten Kinder, die ihre Idole jauchzend kneifen oder sie an den Haaren ziehen dürfen. Ein Riesenspaß für alle, aber nicht für Manaudou. Die kletterte aus dem Wasser und heulte. Die nächste Geschichte der Diva.

Bernard überlässt ihr gerne diese Rolle. „Ich möchte mein Privatleben nicht ausbreiten“, sagt er. Ein 25-jähriger, zurückhaltender 1,96-Meter-Koloss. Was will der Boulevard auch mit einem anfangen, der als Lieblingsparfümnote „Waldgeruch“ angibt? Nur seine legendären Zeiten, die wurden auch in Frankreich hinterfragt. Der 25-Jährige hat auf die ganzen Verdächtigungen eine Antwort: „Wenn man so viel trainierte wie ich, dann sähe selbst der kleinste Kerl so aus wie ich.“

Bernard reicht es, wenn er neben seinen Medaillen noch seine kleinen Triumphe feiern kann. Den über Funktionäre zum Beispiel. 2006 schwamm der Sprinter noch für einen Klub in Marseille. Als der Trainer Denis Auguin rauswarf, erklärte der wütende Bernard, er werde mit dem Coach nach Antibes wechseln. Bitte, geh doch, riefen sie in Marseille. „Aus Alain“, sagte ein Klubfunktionär, „wird doch sowieso nie was.“

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