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Sport: Schwimmen: Ein Rekord für Mutter

Thomas Rupprath liegt flach, als der Anruf kommt. Ein Masseur knetet seine Waden, und Rupprath sagt ins Handy: "Ja ja, ich habe gewonnen.

Thomas Rupprath liegt flach, als der Anruf kommt. Ein Masseur knetet seine Waden, und Rupprath sagt ins Handy: "Ja ja, ich habe gewonnen. Mit neuem deutschen Rekord. 52,54 Sekunden." Die Schwester ist dran. Es ist kurz nach zehn, Rupprath hat gerade mit eleganten Zügen seinen Vorlauf über 100 m Schmetterling bei den Deutschen Meisterschaften gewonnen. Der Rest der Familie will Bescheid wissen. Nur der Vater war nach Braunschweig gefahren. Rupprath ins Handy: "Ja, Rekord, kannst du der Mutter sagen."

Die Schwester dürfte bei dieser Nachricht etwas euphorischer geklungen haben als ihr Bruder. "Für mich", sagt Thoams Rupprath, "kam der Rekord nicht überraschend. Darauf haben wir ja trainiert." Der Rekord kommt wirklich nicht überraschend, einerseits. Schließlich ist Thomas Rupprath, 24, Schmetterling-Spezialist, der einzige offizielle Profi im deutschen Männer-Schwimmsport. Mark Warnecke, Kurzbahn-Weltrekordler über 50 m Brust, trainiert zwar auch profihaft, studiert aber Medizin.

Andererseits kommt der Rekord doch überraschend. Denn Rupprath ist hochgradiger Asthmatiker. In einer Nacht im März dachte er bei einem Anfall, er müsse ersticken. Er hatte schon länger Atemprobleme bei Höchstbelastungen, aber so schlimm war es noch nie. Ein Lungenarzt stellte die schlimme Diagnose. Rupprath sagt heute: "Es war ein Schock. Damit musst du erstmal fertig werden." Er brauchte Wochen dazu. "Einmal", sagt sein Trainer Henning Lambertz, "war er nach einer Einheit richtig lila im Gesicht."

Aber der gleiche Rupprath deklassierte die Gegner in Braunschweig über 200 m Schmetterling, schwamm mit der Lagenstaffel bei den Olympischen Spielen in Sydney Europarekord (und gewann Bronze), wurde 2000 dreimaliger Kurzbahn-Europameister und peilt bei der WM in Japan eine Medaille an. Es ist eine Frage der Einstellung. Rupprath hat diese Härte, die seine Schmerzgrenze ausdehnt. Seit Dezember ist er Profi, weil Spitzensport und die Lehre als Versicherungskaufmann nicht mehr vereinbar waren. Ausbildung in Neuss, Berufsschule in Mönchengladbach, Training in Wuppertal - und die Freundin in Rostock. Das ging nicht mehr. "Ich lebe jetzt vom Sport", sagt er, "ich kann mir keinen Ausrutscher erlauben." Er muss sein Umfeld diesem Denken anpassen, deshalb dürfen für ihn sein Asthma und seine Medikamente nicht mehr als unvermeidbare Faktoren sein. "Man muss damit leben, ganz einfach. Ich kann es ja nicht ändern", sagt er, und damit ist wirklich alles gesagt.

Die Leute vom Sportvermarkter IMG haben ein sehr feines Gespür dafür, wer diese Leute sind, die sich nach vorne treiben können und dann wunderbar die Philosophie des "Du kannst alles schaffen" verkörpern. IMG hat Leute wie Golf-Star Tiger Woods und Tennis-Star Pete Sampras unter Vertrag. Und die Weltklasse-Schwimmerin Sandra Völker. Seit dieser Woche hat IMG auch Rupprath unter Vertrag. Der Kontakt lief über Völker, "aber die nehmen nicht jeden", sagt Rupprath. Er ist jetzt Hinterbänkler in einem erlesenen Kreis. "Eine kleine Wurst", sagt er. Dass er sich öffentlich so realistisch einstuft, ist auch ein Zeichen von Professionalität. Er bekommt Geld von einem Ausrüster und seinem Klub Bayer Wuppertal/Uerdingen. Über die IMG bekommt er gar nichts "ohne internationale Medaille". "Der deutsche Rekord", sagt der Profi Rupprath, "ist für die Vermarktung nichts wert".

So gesehen hat Vater Rupprath gestern nicht viel verpasst. Er fuhr um 6 Uhr in Neuss los. Als sein Sohn schwamm, steckte er im Stau. 25 Kilometer vor Braunschweig.

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