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Ungläubig im Becken. Melissa Franklin staunt über ihre Leistung.

© dapd

Schwimmen: Große Pfoten

Die 16 Jahre alte Melissa Franklin schwimmt in Berlin Weltrekord – und ähnelt Michael Phelps.

Berlin - Melissa Franklin hatte hart trainiert, sie hatte auch anstrengende Stunden hinter sich in ihrer Schule in Denver, Colorado, in einer Woche würde sie zum Kurzbahn-Schwimm-Weltcup nach Moskau fliegen. Deshalb hatte sie eine Frage: „Coach, wann kann ich denn mal eine Pause zur Erholung machen?“ Todd Schmidt hörte zu, dann antwortete er: „Eine Pause? Kein Problem. Auf dem Flug nach Moskau hast du deine Pause.“

So läuft das bei Trainer Schmidt. Der Weltcup in Moskau ist vier Tage her, jetzt steht der 32-Jährige neben dem Becken in der Berliner Halle an der Landsberger Allee. Schmidt trägt ein weißes T-Shirt mit dem Logo „US Swimming“, er hat einen klaren Blick und dieses lässige amerikanische Selbstbewusstsein. Melissa Franklin hat er beim Kurzbahnweltcup gerade robust zum Ausschwimmen geschickt, nun sagt er: „Gold bei den Olympischen Spielen in London ist natürlich das Ziel.“ Und er betont: „Wir möchten nicht hören, dass Melissa Franklin die neue Miss Phelps ist.“ Das zukünftige weibliche Pendant zu Michael Phelps, 14-maliger Olympiasieger.

Das aber sagen und schreiben viele; Fans, Journalisten, Insider des Schwimmens. Am Samstag hat Melissa Franklin einen Weltrekord über 200 Meter Rücken aufgestellt (2:00,03 Minuten), das hat viele in ihrem Urteil bestätigt. Seit der WM 2011 ist Melissa Franklin ins Rampenlicht gerückt: eine 16-Jährige, die in Schanghai fünf Medaillen gewonnen hat, darunter drei goldene; zwei in der Staffel, eine über 200 Meter Rücken.

Für Jörg Hoffmann ist sie ein „Rohdiamant“. Hoffmann, der frühere Europa- und Weltmeister, jetzt Trainer in Potsdam, ist aber vorsichtig bei dem Vergleich mit Phelps. „Das ist noch drei Nummern zu groß, man tut ihr damit auch keinen Gefallen.“ Aber von den Voraussetzungen her habe sie gute Chancen. Melissa Franklin ist 1,85 Meter groß, sie hat Schuhgröße 48, und deshalb, sagt Hoffmann lapidar, „auch große Pfoten“.

Die Frau mit den großen Füßen und Händen war nach ihrem Weltrekord begeistert: „Das ist so unglaublich, ich wusste vor dem Rennen gar nicht, wie die Weltrekordzeit war.“ Todd Schmidt freilich war „bloß überrascht, dass sie so früh in der Saison Weltrekord schwamm“. Am Sonntag bezwang sie über 100 Meter Freistil auch Britta Steffen, die hinter ihrer Teamkollegin Daniela Schreiber Dritte wurde, Paul Biedermann verbesserte seine Weltjahresbestzeit über 200 Meter Freistil in 1:42,42 Minuten um 73 Hundertstelsekunden.

Schmidt betreut Melissa Franklin, seit sie sieben Jahre alt ist, er hat sie in der Seepferdchenklasse seines Klubs entdeckt. Als Elfjährige verkündete sein Schützling: „Ich will mal zu Olympischen Spielen.“ Die 16-Jährige besucht eine ganz normale, öffentliche Schule, und sie legt Wert auf ihren lupenreinen Amateurstatus. Das ist im Highschoolsystem in den USA wichtig, deshalb verzichtet Melissa Franklin auch auf ihre Weltrekordprämie.

Im Zweifel helfen wohl Papa und Mama aus. Mama begleitet ihre Tochter überall hin. Todd Schmidt hat keine Probleme damit, dass die Mama stets in der Nähe ist. Außerdem emanzipiert sich Melissa Franklin gerade. „Ich habe eigentlich drei Kinder“, sagt Mutter Franklin, „einen Mann, einen Hund und eine Tochter. Melissa ist die Reifste von den dreien.“ In die Trainingsplanung, sagt Todd Schmidt, greife Mutter Franklin aber nie ein.

Weshalb auch? Sie kann sich doch auf den Trainer verlassen. Die Ruhephase im Flugzeug, die hat offenbar gereicht. In Moskau holte Melissa Franklin vier Siege.

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