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Beckenflucht. Im vergangenen Jahr schwamm Markus Deibler noch Weltrekord – bei den Deutschen Meisterschaften war nur Zuschauer.

© Imago Sportfotodienst

Schwimmer Markus Deibler: Wasser, Eis und Kohle

Markus Deibler kritisiert nach seinem Rücktritt die deutsche Sportförderung.

Den Drang, ins Becken zu springen, verspürt Markus Deibler nicht mehr. Die deutschen Meisterschaften der Schwimmer in Berlin besucht der 25-Jährige nur als Gast, in den vergangenen Jahren stand er fast immer als Medaillengewinner auf dem Podest. Bis Dezember war Deiblers Leben ganz auf seinen Sport ausgerichtet, auf Trainingszeiten, Wettkämpfe und Regenerationsphasen. Jetzt fährt er noch mit dem Fahrrad zur Arbeit, eine halbe Stunde hin, eine halbe Stunde zurück, auf Anraten der Ärzte. „Ich mache Ausdauersport nur, weil ich abtrainieren muss“, sagt Deibler. „Zum Spaßhaben brauche ich das nicht.“

Im vergangenen Dezember gelingt Deibler der größte Erfolg seiner Karriere, bei der Kurzbahn-WM in Doha wird er Weltmeister über 100 Meter Lagen – in Weltrekordzeit. Neun Tage später erklärt er, dass er seine Karriere mit sofortiger Wirkung beendet. Die Motivation, sich täglich im Training zu quälen, ist dem Hamburger nach mehr als 10.000 Kilometern im Becken abhanden gekommen. Stattdessen steckt Deibler all seine Energie in seine Eisdiele Luicella’s im Hamburger Stadtteil St. Pauli. „Ich bin voll zufrieden mit meiner Entscheidung und hadere überhaupt nicht damit“, sagt er am Sonntag in Berlin. Auch im Eisladen arbeitet Deibler viele Stunden täglich und mit vollem Einsatz, „aber das juckt mich nicht, weil es total viel Spaß macht“.

Deibler ist jahrelang eine feste Größe im deutschen Schwimmen, er wird 15 Mal Deutscher Meister, nimmt an zwei Olympischen Spielen teil und wird 2012 in London über 200 Meter Lagen Achter. Sein Rücktritt hat einige Fragen aufgeworfen. Er selbst sagt, es habe sich dabei um keine finanzielle Entscheidung gehandelt. Aber im Leistungssport spielt Geld immer eine Rolle, das weiß auch Deibler, der seine Karriere hauptsächlich mit privaten Sponsoren finanzierte.

Leistungssport koste nun einmal Geld

„Wenn wir ein System wie in den USA, Australien oder auch nur in Frankreich oder Italien hätten, wäre es eine komplett andere Karriere gewesen“, glaubt Deibler. Die Erwartungshaltung in Deutschland besonders bei sportlichen Großereignissen passe nicht zusammen mit der Förderung. „Ich schätze mal, dass Deutschland weltweit nicht unter den ersten 30 Nationen in der öffentlichen Sportförderung ist“, sagt er. „Aber es wird groß geheult, wenn die Sportler nicht unter den ersten drei sind.“ Man müsse sich entscheiden, ob man Leistungssport wolle, das koste nun mal Geld: „Dann muss eben gefördert werden und dann kann man auch auf den Medaillenspiegel gucken.“

Chef-Bundestrainer Henning Lambertz hat Markus Deiblers Rücktritt bedauert, mit Tim Wallburger und Dimitri Colupaev beendeten zuletzt zwei weitere deutsche Spitzenschwimmer im besten Leistungssportalter ihre Karrieren. Für Lambertz war das ein Anlass, für eine stärkere Förderung zu werben – oder den Weg für neue Sponsoring-Kanäle wie temporäre Werbe-Tattoos frei zu machen. Auch internationale Spitzenschwimmer kritisieren immer wieder, dass ihnen der Weltverband Fina kaum Möglichkeiten einräumt, ihre privaten Sponsoren in Szene zu setzen.

Deibler hat mit dieser Thematik abgeschlossen. Seine Popularität als Athlet – immerhin wurde er 2014 noch zu Hamburgs Sportler des Jahres gewählt – nutzt er auch nicht zu Werbezwecken. „Es gibt kein Weltmeister-Eis bei uns im Laden, da hängt kein Bild, keine Medaille“, sagt er. Im Moment genießt es Deibler einfach, seinen Alltag selbst in der Hand zu haben und nicht mehr nach Trainingsplänen leben zu müssen. „Ich bin komplett selbstbestimmt“, sagt er. „Das ist der riesengroße Unterschied.“

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