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© dpa

Scott Chipperfield: Herthas Neuer war früher Busfahrer

Scott Chipperfield, 33, ist australischer Nationalspieler - und seit Montag im Trainingslager von Hertha BSC in Marbella. Über ihn heißt es: "Neben dem Platz ist er ein Engel, auf dem Platz ein Teufel."

Als vor ein paar Wochen mal wieder die Gerüchte tobten um mögliche Verstärkungen bei Hertha BSC, da hat Trainer Lucien Favre gesagt, bei allen zu erwartenden Unwägbarkeiten könne er doch eines garantieren: Noch einen Schweizer werde er nicht holen.

Elf Spiele für Hertha - dann bleibt er bis 2010

Das ist nicht ganz richtig. Am Montag einigten sich die Berliner mit dem dritten Spieler aus dem Land ihres Cheftrainers. Es ist allerdings einer, von dem Favre vielleicht gar nicht weiß, dass er das Personaldokument mit weißem Kreuz auf rotem Grund besitzt. Denn der neue Herthaner Scott Chipperfield ist vor 33 Jahren in New South Wales geboren, er spielt für die australische Nationalmannschaft (54 Spiele, elf Tore), und die schweizerische Staatsbürgerschaft besitzt er erst seit dem April 2007. Als Referenz bringt er 21 Einsätze und sechs Tore in der Champions League mit. Er kann in der Verteidigung und auch im Mittelfeld eingesetzt werden.    Eigentlich sollte Chipperfield am Montag mit dem FC Basel ins Trainingslager ins spanische La Manga fahren. Kurz vor der Abreise aber informierte er seinen Arbeitgeber über das Berliner Angebot, ihn bis zum Ende dieser Saison unter Vertrag zu nehmen. Sollte Chipperfeld elf Spiele von Anfang an für Hertha bestreiten, verlängert sich der Vertrag um ein Jahr. Chipperfield hatte selbst um seine Freigabe gegeben, und der Schweizer Meister stimmte zu – nicht weil der australische Linksfuß zu alt sei oder nach auskurierter Fersenspornverletzung und Nierenerkrankung nicht mehr gut genug für die Superliga. Sondern weil es sich laut Vizepräsident Bernhard Heusler um „einen verdienten Spieler“ handele, dem man „keinen Stein in den Weg legen“ wolle.

Ist Chipperfield noch verletzt?

Chipperfield fuhr also am Montag nicht nach La Manga, sondern ins 600 Kilometer weiter südlich gelegene Marbella. Noch am Montag traf er in Herthas Trainingsquartier zum Medizincheck ein, wo er genau untersucht werden sollte. Denn am vergangenen Donnerstag hatte der Neue noch für den FC Basel ein Testspiel auf Kunstrasen bestritten. Dabei, so Herthas Manager Dieter Hoeneß am späten Nachmittag in Marbella, habe es "eine Reaktion auf eine frühere Verletzung" gegeben. Aus Basel heißt es, eine Operationsnarbe im linken Fuß habe sich entzündet. Weil eventuell nicht alle medizinischen Gerätschaften im Trainingslager sind, könnte der letzte Check auch in Berlin stattfinden. Am Mittwoch kehrt Hertha BSC zurück.

Für Lucien Favre ist das Wiedersehen mit dem „australischen Schlachtross“ (Neue Zürcher Zeitung) eine Begegnung mit der Vergangenheit. Chipperfield spielt seit 2001 für den FC Basel, jenem Verein, mit dem Favres FC Zürich 2006 und 2007 hart und am Ende erfolgreich um die Schweizer Meisterschaft stritt. Frank Farina, von 1999 bis 2005 australischer Nationalcoach, hat über Chipperfield einmal gesagt: „Neben dem Platz ist er ein Engel, auf dem Platz ein Teufel“, eben ein typischer Australier. Sein Motto lautet: „Ich will immer gewinnen.“

"Australisches Schlachtross"

Bei der Weltmeisterschaft 2006 in München kam es nach dem Vorrundenspiel der Australier in München gegen Brasilien zu einer denkwürdigen Szene: Ein brasilianischer Betreuer drückte Chipperfield gönnerhaft das Trikot des Weltstars Roberto Carlos in die Hand. Chipperfield nahm das gelbe Leibchen kurz in die Hand, warf einen abschätzigen Blick drauf und gab es dem Brasilianer zurück. Die Enttäuschung über die 0:2-Niederlage wog zu schwer, als dass er sich mit einem billigen Souvenir hätte abfinden wollen.

Die Australier schafften es dann doch noch in die Endrunde, übrigens mit einem 2:2 im letzten Gruppenspiel gegen Kroatien, für das der gebürtige Australier und Hertha-Verteidiger Josip Simunic spielte. Im Achtelfinale gegen Italien hätte Chipperfield berühmt werden können. In der zweiten Halbzeit hatte er das Siegtor auf dem Fuß, drosch den Ball aber genau auf Italiens überragenden Torhüter Gianluigi Buffon. Am Ende gewann Italien durch ein denkbar umstrittenes Elfmetertor in der Nachspielzeit der Verlängerung.

Seine Nominierung feierte er mit den Fahrgästen 

Begonnen hat Chipperfields Karriere bei den Wollongong Wolves, mit denen er zweimal australischer Meister wurde –als Halbprofi, der nebenbei als Busfahrer arbeitete. Als ihn der australische Verband 2001 via Mobiltelefon über seine erste Nominierung für die Nationalmannschaft informierte, saß er gerade als Chauffeur am Steuer, und die ersten Gratulanten waren seine Fahrgäste, die er via Lautsprecher an seinem Glück teilhaben ließ. Der frühere Schweizer Nationalspieler Marco Grassi war damals auf Geschäftsreise in Australien, er sah Chipperfield, schickte ein Video in die Heimat, und der FC Basel griff zu. Grassi ist bis heute Chipperfields Berater.

Die Schweiz sollte eigentlich nur eine Zwischenstation sein. Chipperfields Ziel war die Premier League, aber dort kam er nie. Nach der WM 2006 bot Charlton Athletic knapp eine Million Euro, aber der FC Basel entließ ihn nicht aus seinem Vertrag. Vielleicht war das ganz gut, im Hinblick auf die WM 2010 in Südafrika. Australiens neuer Nationaltrainer Pim Verbeek hat sich bereits darüber beklagt, dass viele seiner Spieler in England viel Geld verdienten, dort aber nur auf der Bank säßen. Scott Chipperfield will bei Hertha Spielpraxis auf hohem Niveau sammeln und in der Nationalmannschaft das fortführen, was er im September begonnen hat. Im ersten WM-Qualifikationsspiel gelang ihm das Tor zum 1:0-Auswärtssieg gegen Usbekistan.

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