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Neuer Anlauf im Albert Park. Im vergangenen Jahr schied Red-Bull-Pilot Sebastian Vettel nach einer Kollision in Melbourne aus, diesmal will er gewinnen. Foto: dpa

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Sebastian Vettel: Den Teufel im Nacken

Sebastian Vettels Auto ist wohl das schnellste im Formel-1-Feld – aber auch eines der anfälligsten.

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Sebastian Vettel sah fast ein bisschen erleichtert darüber aus, dass er sich auch einmal selbst bezichtigen konnte. „Das war nicht ideal, es war mein Fehler“, sagte der Red-Bull-Pilot. Beim verregneten zweiten Freien Training zum Formel-1-Rennen in Australien war der Vizeweltmeister am Freitag in Melbourne ins Kiesbett gerutscht und nur 16. geworden. Der Deutsche ärgerte sich zwar über die auf diese Weise verlorene Vorbereitungszeit für das Qualifying am Samstag (7 Uhr/live bei RTL und Sky). Immerhin jedoch musste der 22-Jährige über sein Auto nicht viel mehr sagen als: „Es scheint alles zu funktionieren.“ In der jüngeren Vergangenheit war das nämlich nicht immer so.

An der Schnelligkeit von Sebastian Vettels Arbeitsgerät besteht kein Zweifel. Zwar stapelt der Heppenheimer selbst tief und sieht sein Auto in Melbourne noch nicht ganz da, „wo wir eigentlich sein wollten. Wir müssen über Nacht noch ein bisschen was finden, und das sollte auch möglich sein.“ Doch die Konkurrenz ist sich weitgehend einig: Die meisten sehen den RB6 als das schnellste Auto im Feld und Vettel daher als WM-Favoriten an. „Der Red Bull ist sogar unverschämt schnell“, glaubt McLaren-Pilot Lewis Hamilton. Und selbst Ferraris Star Fernando Alonso deutete an, dass er das Auftaktrennen vor zwei Wochen in Bahrain wohl nicht unbedingt als Erster beendet hätte, wenn Vettel in Führung liegend nicht eine Zündkerze kaputtgegangen und er dadurch nicht noch auf Rang vier zurückgefallen wäre. „Sie sind sehr schnell“, sagte Alonso. „Aber es gibt meiner Meinung nach drei Teams – Ferrari, McLaren und Mercedes –, die nicht allzu weit weg sind.“

Die Geschwindigkeit ist also nicht das Problem im Hause Red Bull. Wenn sich Vettel über irgendetwas Gedanken machen muss, dann wohl über die Zuverlässigkeit seines Wagens. Natürlich ist ein Zündkerzendefekt wie in Bahrain, ein Problem mit einem Zulieferteil, niemals ganz auszuschließen. „Das kommt sehr selten vor und sollte uns in Zukunft nicht mehr passieren“, sagte Vettel. Aber die Fragilität des rasenden Bullen ist inzwischen berüchtigt. Schon im vergangenen Jahr und auch bei in den Wintertests zur neuen Saison offenbarte Red Bull immer wieder Probleme mit der Zuverlässigkeit, vor allem der Renault-Motor streikte in beeindruckender Regelmäßigkeit.

Motor hat nicht genügend Luft zu Atmen

Nicht wenige im Fahrerlager glauben, dass diese Defektanfälligkeit in der Arbeit des Chefdesigners Adrian Newey begründet liegt. Der gelernte Luftfahrt-Ingenieur ist der wohl beste Aerodynamiker der Formel 1, ein Tüftler, gleichermaßen genial und kauzig, der noch immer mit dem Stift statt dem Computer arbeitet. „Ich mag es einfach, an einem Zeichenbrett zu arbeiten“, sagt er. „Da kann man einen großen Maßstab anwenden und ist nicht wie bei einem Monitor limitiert.“ Doch Newey ist auch dafür bekannt, dass er in seinen Konstruktionen die Grenzen stets bis aufs Letzte ausreizt, besonders im Rücken des Piloten um Motor und Getriebe herum. Das Heck ist für die Windschnittigkeit eines Rennwagens von entscheidender Bedeutung, aber eine Standardweisheit aller Formel-1-Konstrukteure besagt auch: Wenn dort aus aerodynamischen Gründen alles extrem kompakt und eng gebaut ist, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von temperaturbedingten Problemen im Motor- und Getriebebereich erheblich. Und es scheint zumindest so, dass Newey dem Motor nicht immer genügend Luft zum Atmen und den Temperaturen zu wenig Möglichkeiten zum Entweichen bietet. Das würde auch erklären, warum der Werksrennstall von Renault weniger Schwierigkeiten mit den Triebwerken hat als das mit den gleichen Motoren belieferte Kundenteam Red Bull.

Die Red-Bull-Verantwortlichen sind derzeit noch überzeugt, dass Newey bei seiner Suche nach der Geschwindigkeit nicht zu weit gegangen ist. Die bisherigen Pannen seien die üblichen Kleinigkeiten zum Saisonstart gewesen. Auch Sebastian Vettel gibt sich demonstrativ gelassen. „Wir haben allen Grund, selbstbewusst zu sein“, sagte er. Schließlich habe man noch einen deutlich besseren Auftakt hingelegt als 2009; damals schied Vettel in Melbourne aus. „Wir wissen, dass der Sieg in Bahrain möglich war, aber es hätte auch noch schlimmer kommen können“, sagte Vettel. Mit Platz vier könne er deshalb relativ zufrieden sein: „Dass der Defektteufel zugeschlagen hat, lag nicht in meiner Hand.“ Nur, weil der Formel-1-Unhold jetzt einmal am Werke war, müsse man noch nicht in Panik verfallen: „Irgendein Problem hat im Laufe der Saison jeder mal.“ Zur Sicherheit beschwor Sebastian Vettel aber lieber doch noch einmal die höheren Mächte, dass an diesem Wochenende nicht schon wieder er an der Reihe sein möge: „Ich hoffe nicht, dass die Kiste raucht – bisher läuft sie ganz gut.“

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