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Beherrscht die Mischung aus Lockerheit, Ironie und Politik, die in der Formel 1 nötig ist: Sebastian Vettel.

© AFP

Sebastian Vettel: Der Klügere fährt vor

Sebastian Vettel rast seinem vierten Formel-1-Titel entgegen – auch weil er immer konstanter wird und nur noch selten unnötige Risiken eingeht.

Was macht den Unterschied zwischen einem sehr guten und einem absoluten Top-Piloten in der Formel 1 aus? Nicht unbedingt allein die Fähigkeit, auf einer Runde immer der Schnellste zu sein, ein Team zu führen, den Willen zu haben, jedes Rennen gewinnen zu wollen. In der Formel 1 gehört es mindestens genauso dazu, auch ganz genau zu wissen, wann man eher einmal zurückstecken muss, mit dem Blick auf das große Ganze. Der dreimalige Weltmeister Sebastian Vettel ist inzwischen auch auf diesem Gebiet ein absoluter Experte und seinen WM-Rivalen Fernando Alonso und Kimi Räikkönen mindestens ebenbürtig.

In dieser Saison ist Vettel neben Kimi Räikkönen der konstanteste Punktesammler. Zwei Siege, nie schlechter als Rang vier, kein Ausfall, so lautet seine beeindruckende Bilanz. „Es lief sehr gut, was die Ergebnisse und die Zuverlässigkeit angeht“, sagt Vettel vor dem Rennen in Kanada an diesem Wochenende. „Wir hatten noch keine Ausfälle oder Unfälle, aber über das Jahr gesehen gibt es keine Möglichkeit, so etwas für alle Rennen zu vermeiden.“

Beim vergangenen Rennen in Monaco zeigte Vettel aber, warum er immer seltener in Schwierigkeiten gerät. Natürlich ärgerte es ihn, dass ihm Nico Rosberg mit seiner perfekten Reifenschontaktik im Fürstentum den Sieg wegschnappte. Doch angesichts der WM-Situation – Alonso und Räikkönen lagen deutlich hinter ihm –, ließ sich Vettel auf keine unüberlegten Aktionen ein und versuchte gar nicht erst, den Mercedes-Piloten anzugreifen. So gewann er zwar nicht, doch als Rennzweiter baute er die WM-Führung auf 21 Punkte aus. Die anderen Titelkandidaten stehen jetzt in Kanada schon ein wenig unter Druck, denn viel weiter dürfen sie Vettel in der WM nicht wegziehen lassen.

Vettel weiß in seiner siebten Formel-1-Saison inzwischen ganz genau, wie weit er gehen kann. Seine Risikoeinschätzung passt, Fehler in entscheidenden Situationen werden immer seltener. Und auch neben der Strecke tritt er sehr souverän auf. Vettel beherrscht die Mischung aus Lockerheit, Ironie und Politik sehr gut, ohne sich bei solchen Spielchen, die in der Formel 1 nun mal üblich sind, selbst ins Abseits zu manövrieren oder unter Druck zu setzen.

Ein paar Beispiele gefällig? Die ironische Bemerkung in Monaco, die Mercedes-Silberpfeile im Reifenschongang seien dort unterwegs gewesen wie „Reisebusse auf Ausflugsfahrt“, milderte er geschickt durch ein Kompliment für Nico Rosberg und dessen cleveres Rennen ab. Und auch mit seiner Reifenkritik findet er durchaus einen vernünftigen Ansatz: „In der Vergangenheit war es auch nicht leicht, mit den Reifen auszukommen, aber es gab nicht solche Probleme wie wir sie in diesem Jahr haben“, sagt er und steht damit nicht allein. Vor allem nicht beim erneuten Verweis auf Fragen der Sicherheit, weil sich ohne wirklich ersichtlichen Grund immer wieder mal die Lauffläche eines Reifens ablöst: „Es geht nicht darum, ob uns die Reifen schmecken oder nicht – es geht vor allem darum, es für alle auch ein bisschen sicherer zu machen.“

Am Sonntag in Montreal könnte es der gereifte Heppenheimer schaffen, eine Lücke in seiner persönlichen Statistik zu schließen. Das Rennen auf der Île Notre Dame ist eines der ganz wenigen, das er noch nie gewonnen hat. „Mal hatten wir Probleme mit dem Getriebe, mal waren wir nicht schnell genug und manchmal hat die Strategie einfach nicht gepasst“, erzählt er. „Und vor zwei Jahren habe ich wegen eines einzigen Fehlers in einem Rennen, in dem fast alle viele Fehler gemacht haben, den Sieg in der letzten Runde an Jenson Button verloren.“ Damals drehte er sich unter dem Druck des herannahenden Button in der allerletzten Runde. Es ist derzeit nur schwer vorstellbar, dass ihm das wieder passiert.

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