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Sport: Sechs Tore und ein Problemfall

Miroslav Klose geht auch beim 6:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen San Marino leer aus

Ist das jetzt schon ein Akt der Verzweiflung? Vor Thomas Hitzlsperger hat sich die hellblaue Menschenmauer postiert, es sind 22 Meter bis zum Tor von San Marino, und weil es wieder einmal kein Durchkommen gibt, macht Hitzlsperger das, was er am besten kann: Er schießt einfach. Vier Minuten sind zu diesem Zeitpunkt gespielt, und es ist der erste Torschuss der Deutschen. Vielleicht hat Hitzlsperger in diesem Moment schon eine Ahnung, dass es für die Nationalmannschaft gegen den Zwergenstaat vom Mittelmeer doch schwieriger werden würde, als alle gedacht haben. Fast die komplette erste Halbzeit benötigen die Deutschen, um das erste Tor zu erzielen. Der höchste Sieg der deutschen Länderspielgeschichte wird es am Ende nicht, aber immerhin ein einigermaßen standesgemäßes 6:0, mit dem die Deutschen die Tabellenführung in der EM-Qualifikation vor Tschechien ausgebaut haben. „Am Ende hätten wir auch noch acht, neun Tore mehr schießen können“, sagt Bundestrainer Joachim Löw.

Nach einem deutlichen Sieg sieht es in der ersten Hälfte lange nicht aus. Erst in der letzten Minute vor der Pause bringt Kevin Kuranyi den WM-Dritten mit einem Kopfball gegen San Marino in Führung. Gegen ein Land, dessen Fläche nicht größer ist als Buxtehude und das 13 000 Einwohner weniger hat, als gestern im Frankenstadion Zuschauer Platz fanden. Als Trainer Giampaolo Mazza am Tag vor dem Spiel gefragt wurde, wie viele Fans die Mannschaft nach Nürnberg begleiteten, musste er lachen: natürlich gar keine.

Dafür gewinnen die Sanmarinesen im Frankenstadion eine Menge neuer Freunde. Nach 20 Minuten gibt es von den deutschen Anhängern die ersten einzelnen Pfiffe gegen die eigene Mannschaft. Bis zur Pause werden es immer mehr, und als die Gäste einmal zaghaft einen Konter ansetzen, wird dieser Versuch mit Jubel begleitet. Sonst suchen die Sanmarinesen entschlossen ihre Chance. Einmal kommt Alex Gasperoni 35 Meter vor dem deutschen Tor an den Ball, er schießt sofort – und verfehlt nur knapp den Oberrang.

Und trotzdem hätten die Sanmarinesen mit etwas mehr Glück sogar in Führung gehen können. Kurz vor der Pause spielt Torhüter Jens Lehmann den Ball genau in den Fuß von San Marinos einzigem Stürmer Manuel Marani. Der schießt, doch der Ball verhungert auf dem Weg zum Tor. Woran das liegt, ist dem finnischen Schiedsrichter Tony Asumaa zum Glück für die Deutschen entgangen. Lehmann hat seine Finger noch kurz an den Ball gebracht; da er dabei außerhalb seines Strafraums stand, hätte der Torhüter für diese Aktion die Rote Karte sehen müssen.

Lehmanns Fehler entspringt jener Mischung aus Leichtsinn und Überheblichkeit, die sich die Deutschen unter allen Umständen verkneifen wollten. Löw hatte deshalb seine beste verfügbare Elf aufgeboten. Die Mannschaft sollte sich einspielen für die wesentlich schwierigere Begegnung am Mittwoch gegen die Slowakei und sich wertvolles Selbstvertrauen holen – vor allem der kriselnde Miroslav Klose. Der Bremer, der beim 13:0 im Hinspiel sein letztes Länderspieltor erzielt hat, schleppt aber momentan einen derart schweren Rucksack mit sich herum, dass er mit seinen vergeblichen Bemühungen selbst gegen die Nummer 195 der Welt eine bemitleidenswerte Figur abgibt und erneut ohne Torerfolg bleibt. Doch gleich nach dem Spiel kündigt der Bundestrainer an, er werde Klose auch am Mittwoch im ungleich schwierigeren Spiel gegen die Slowakei von Beginn an spielen lassen.

Klose bringt seine Formkrise auch nach der Pause wieder mit auf den Platz. Seine Kollegen spielen jetzt klarer, schneller und damit auch zwingender. Für das 2:0 aber benötigen die Deutschen zunächst noch einmal eine Ecke. Marcell Jansen trifft mit einem Aufsetzer. Es ist das erste Länderspieltor für den Mönchengladbacher, der in der neuen Saison für Bayern München spielen wird. Zwei Minuten später erhöht Torsten Frings mit einem Foulelfmeter auf 3:0. San Marinos Verteidiger Davide Simoncini, der Zwillingsbruder des Torhüters, hat Kuranyi im Strafraum zu Fall gebracht und für dieses Foul Gelb-Rot gesehen.

Mehr als eine halbe Stunde müssen die Gäste nun in Unterzahl spielen, und nach dem Platzverweis ist erst einmal jeder Schuss ein Treffer: Mario Gomez trifft vier Minuten nach seiner Einwechslung mit einem Abstauber zum 4:0, zwei Minuten später verwandelt der Stuttgarter eine schöne Hereingabe Jansens zum 5:0, und Clemens Fritz, ebenfalls eingewechselt, macht das 6:0. Danach lässt der Eifer der Deutschen etwas nach. „So ein Spiel ist nicht einfach, die stehen halt mit Mann und Maus hinten drin“, sagt Bundestrainer Löw. Und: „Für uns war wichtig, dass wir uns für den Mittwoch warmspielen.“ Das ist den Deutschen in der zweiten Halbzeit ganz gut gelungen. Mal abgesehen von Miroslav Klose.

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