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Berlin im Blick. 1860-Trainer Maurer will bei Hertha den guten Start ausbauen. Foto: dpa

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Sport: Seele aus Schinkennudeln

1860 München hält Burgfrieden mit seinem Investor.

München - Der TSV 1860 München hat nicht wenige Anhänger, die ihren Klub als einen der seltsamsten Vereine in Deutschland bezeichnen. Erst Mitte August gab es wieder Gelegenheit zu beobachten, was sie damit meinen: Da verbreitete 1860 zunächst die Meldung, dass Wirtin Christl Estermann altersbedingt die Vereinsgaststätte „Löwenstüberl“ am Trainingsgelände aufgeben werde, nur damit die 69-Jährige am nächsten Tag die Nachricht dementierte. Estermann weinte vor laufenden Kameras, Spieler berichteten mit großem Ernst von der Qualität ihrer Schinkennudeln und der Verein rief eine Art Kriseninterventionsteam zusammen, das am Ende alles beim Alten beließ: Estermann bleibt Herrin über das Löwenstüberl.

So seltsam die Posse war, Beobachter in München erkannten darin das kurze Aufflackern eines klubinternen Kulturkampfes. Obwohl Vereinsvertreter und der arabische Investor Hasan Ismaik im Frühjahr eigentlich eine Art Stillhalteabkommen geschlossen hatten. Nach Ansicht der traditionsverbundenen Anhängerschaft ist im Löwenstüberl nämlich die Seele des Vereins beheimatet. Der Arbeitercharme der in die Jahre gekommenen Gastwirtschaft aber, so wird gemunkelt, passte nicht mehr ins Konzept des Vereins, der mit Millionen aus dem Morgenland wieder in die Erste Liga aufsteigen will. Neu daran ist jedoch, dass die Posse relativ schnell beigelegt war. Trotz kleiner Reibereien haben Investor und Verein also inzwischen gelernt, miteinander auszukommen, was sich wiederum in den Leistungen der Mannschaft widerspiegelt: Die Münchner, die am Freitag bei Hertha BSC antreten, haben mit sieben Spielen ohne Niederlage den besten Start seit dem Abstieg in die Zweite Liga im Jahr 2004 hingelegt.

Vor anderthalb Jahren hatte sich der Geschäftsmann Hasan Ismaik aus Abu Dhabi für 18,4 Millionen Euro bei 1860 eingekauft, er hält seitdem 49 Prozent an stimmberechtigten Anteilen. In München ist Ismaiks Engagement nicht allen geheuer, erst im Frühjahr etwa sah es danach aus, als wolle der Investor den Präsidenten Dieter Schneider aus dem Verein drängen. Schneider und Ismaik gaben dann öffentlich ihre Versöhnung bekannt und der Verein stellte einen Dreijahresplan vor: Der Investor stellt dem Verein jährlich mehrere Millionen Euro als Darlehen zur Verfügung, was dem Verein zum Aufstieg verhelfen soll. Durch die gestiegenen Einnahmen in Liga eins soll 1860 dann einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen.

Der Erfolgszwang des riskanten Plans ist wohl auch der Grund, warum der Burgfrieden bis auf kleinere Störfeuer wie die Posse um die Wirtin hält. Und die Ergebnisse geben dem Konzept zumindest bis jetzt recht: 1860 hat zwar mit Kevin Volland und Stefan Aigner seine beiden besten Spieler verloren. Aber man holte auch erfahrene Profis wie die EM-Teilnehmer Grigoris Makos aus Griechenland und Grzegorz Wojtkowiak aus Polen. Vor allem die Abwehr hat sich im Vergleich zur Vorsaison gesteigert, in den ersten sieben Partien kassierte 1860 nur drei Gegentore.

Trainer Reiner Maurer lässt neuerdings meist nur mit einer Spitze spielen, um mehr Ballbesitz im Mittelfeld zu garantieren – was der Mannschaft offenbar gut bekommt. Nach dem 4:0 gegen den SV Sandhausen hat der Trainer vorsorglich gewarnt, dass es nicht automatisch so locker weitergehen werde. Der nächste Gegner Hertha sei einer der Topfavoriten der Liga: „Das wird ein ganz schweres Spiel.“ Maurer ist lange genug bei den Löwen, er weiß: Euphorie und Frieden, das sind Zustände, die bei einem Verein wie dem TSV 1860 München ganz schnell wieder in das Gegenteil umschlagen können. Florian Fuchs

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