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Sport: Seelenlos ergeben

Bayern München verliert 0:2 bei Borussia Dortmund

Dortmund. 50 Minuten lang passierten beim Bundesliga-Spitzenspiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München die aufregendsten Dinge, wenn der Ball gar nicht im Spiel war: Vor Beginn der zweiten Halbzeit waren gleich 16 Ordner damit beschäftigt, vor der Südtribüne eine halbe Wagenladung Bananen aus dem Strafraum von Oliver Kahn zu räumen. Erntezeit im Westfalenstadion – das ist seit Jahren so, wenn die Bayern mit ihrem Nationaltorhüter in Dortmund auflaufen. Kahn ist dort seit langem eine Reizfigur.

Kurze Zeit später gab es gleich zweimal Rudelbildung der wilden Art zu sehen: Nach dem Elfmeterpfiff durch Schiedsrichter Markus Merk (53.) dauerte es Minuten, bis Ewerthon schießen konnte und dabei die Dortmunder Führung erzielte. Danach sorgte Bayern-Abwehrroutinier Jens Jeremies für Riesenaufregung, weil er den Torschützen an der Seitenlinie umschubste. Der Schiedsrichter und seine Assistenten, Spieler sowie Fotografen warfen sich ins Getümmel, mittendrin agierten Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld und sein Assistent Michael Henke, von ihrer Coachingzone weit entfernt.

Im Spiel haben sich die Bayern nach den Toren von Ewerthon und Christian Wörns (61.) weit weniger kämpferisch gezeigt. Sie fügten sich vor 83 000 Zuschauern sogar ohne erkennbare Gegenwehr in ihre Niederlage. 0:2 (0:0) unterlagen die Bayern, eigentlich frustrierend. Doch der Umstand, dass die Titelverteidigung in weite Ferne gerückt ist, löste im Lager des Rekordmeisters keine erkennbare Depression aus.

Die Profis von Tabellenführer Werder Bremen, die erst heute zu Hause gegen Hannover spielen, sahen vor dem Fernseher einen enttäuschenden Konkurrenten. Diese Bayern werden ihnen nicht mehr gefährlich. Bayern München 2004: das ist keine Mannschaft, die sich mit betonter Arroganz psychologische Vorteile durch Respekt einflößendes Auftreten verschafft. Sinnbild für den taumelnden Rekordmeister ist Michael Ballack, der sich erneut unter Normalform präsentierte und sogar vorzeitig vom Platz musste. Ballack sah nach einem unnötigen Foul an Salvatore Gambino Gelb-Rot.

Es war kein Nachmittag, an den sich Deutschlands bester Mittelfeldakteur und seine Mitspieler besonders gerne erinnern werden. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass die Bayern in den ersten 45 Minuten sogar besser waren als die mut- und ideenlosen Dortmunder. Die Bayern spielten zwar munter nach vorne, doch in den entscheidenden Momenten versagten sie: Zwingende Torchancen erarbeiteten sie sich nicht. „Wir haben Ball und Gegner sehr gut laufen lassen", resümierte Hitzfeld, „wir haben jedoch versäumt, in Führung zu gehen.“

Dieses Manko rächte sich, denn nach der Pause agierten die Gastgeber weitaus zielstrebiger. BVB-Trainer Matthias Sammer sah „in der zweiten Halbzeit ein sehr gutes Spiel meiner Mannschaft“. Diese Bemühungen wurden auch belohnt, weil das Abwehrverhalten der Bayern mangelhaft war: Vor dem Elfmeter war Hasan Salihamidzic gegen Gambino zu spät gekommen, beim 2:0 konnte Wörns ungehindert einschießen.

Das alles passt ins Gesamtbild einer Mannschaft, die ihren Ansprüchen in dieser Saison nur selten gerecht wird. Die Bayern präsentieren sich derzeit als ein weitgehend seelenloses Ensemble, das froh sein kann, wenn es sich direkt für die Champions League qualifiziert. Den Gedanken an den Titelgewinn aber können sich Ballack und seine Mitspieler in der Verfassung, in der sie sich am Samstag präsentierten, abschminken. „Wir haben heute in einigen Situationen Nerven gezeigt. Das darf nicht passieren“, sagte Hitzfeld. „Da müssen wir cooler sein.“

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