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Rasend Richtung Hochsee. Die Comanche benötigte nur fünf Minuten, um den Hafen von Sydney zu verlassen. Schneller war in 70 Jahren Renngeschichte noch kein Boot.

© AFP

Segel-Klassiker Sydney - Hobart: Gegen den Sturm gen Süden

Zum 70. Mal startet das berühmte Segelrennen von Sydney nach Hobart. Ganz Australien fiebert mit, dabei ist der Wettbewerb über 1193 Kilometer nicht ganz ungefährlich.

Der zweite Weltkrieg war noch nicht lange vorbei, als ein paar Freunde die Idee hatten, von Sydney nach Tasmanien zu segeln, neun Boote kamen letztendlich zusammen und machten sich am zweiten Weihnachtsfeiertag auf den Weg nach Süden. Damals hätten sich die beteiligten Segler wohl kaum vorstellen können, wie es am gestrigen Freitag im berühmten Hafen von Sydney aussah: Ein halbes Dutzend Helikopter knatterte über den Köpfen zehntausender Zuschauer, die sich auf Klippen und Stränden drängten, hunderte Zuschauerboote bildeten auf dem Wasser ein Spalier für die 117 Yachten, die zum berühmten Segelrennen von Sydney in die tasmanische Hauptstadt Hobart aufbrachen.

Zum Start des 70. Rennens zwischen Sydney nach Hobart stürmte es zur Jubiläumsausgabe so heftig von Süden, dass die nagelneue amerikanische Yacht Comanche in nur fünf Minuten bereits den Hafen durchquert hatte – so schnell war noch nie ein Boot auf dem Weg in die offene See. Die Comanche gehört zu den fünf im Feld vertretenen „Supermaxis“, das sind riesige, Millionen Euro teure Segelboote, 100 Fuss (30 Meter) lang und mit gigantischen Segeln ausgestattet. Besitzer Jim Clark kann es sich sogar leisten, den siegreichen America’s-Cup-Skipper James Spithill als einfaches Crew-Mitglied auf dem Weg ins 1163 Kilometer entfernte Hobart an Bord zu haben.

Am späten Abend führte die Comanche immer noch vor dem siebenmaligen Rekordgewinner Wild Oats, Perpetual Loyal und Ragamuffin 100. Vier Yachten hatten bei starkem Gegenwind bereits aufgegeben. Die Ragamuffin hat den ältesten Teilnehmer an Bord. Syd Fisher ist mit 87 Jahren in einem Alter, in dem andere Menschen sich Segelrennen im besten Falle im Fernsehen anschauen und nicht an Deck eines wild schlingernden Segelschiffs aufhalten, das sich in totaler Dunkelheit gegen den Wind kreuzend den Weg nach Süden bahnt. Am Steuer steht Fisher allerdings nicht mehr. „Ich bin alt und doof“, sagte er mit einem Lachen, bevor das Rennen startete, „und mein Gleichgewichtsgefühl ist nicht mehr gut genug.“ Fisher ist sogar noch älter als die älteste Yacht im Rennen, die Maluka, die 1932 gebaut wurde und mit zehn Metern zudem das kleinste Boot ist.

Tony Cable startet bereits zum 49. Mal bei Sydney – Hobart

Individueller Rekordhalter ist der segelnde Greis aber nicht: Tony Cable startet bereits zum 49. Mal bei Sydney – Hobart. Von Segelfreunden liebevoll beschrieben als „klein, fett und glatzköpfig“, ist er immer noch als Crewmitglied gefragt und wird voraussichtlich im kommenden Jahr das halbe Hundert vollmachen. Es war übrigens nicht Fisher, sondern ein anderer Eigner, der einmal die seltsame Faszination des Rennens treffend so beschrieb: „Es ist so, als ob man unter einer eiskalten Dusche steht und 100-Dollar-Scheine zerreißt.“ Auch zwei deutsche Boote versuchen sich in diesem Jahr an dem teuren, ungemütlichen und 628 Seemeilen langen Vergnügen.

Wenn die immensen Kosten allein noch nicht abschreckend genug sind, erinnert Mutter Natur gelegentlich daran, wie gefährlich Hochseesegeln ist, vor allem die Überquerung der „Bass Straight“ zwischen dem australischen Festland und der Insel Tasmanien. Fast 1000 Boote haben seit der ersten Austragung des Rennens aufgeben müssen. Viele der jetzigen Segler an Bord waren schon 1998 dabei, als ein extremer Sturm die Flotte dezimierte, sechs Segler ums Leben kamen und Dutzende andere aus dem tobenden Ozean mit Wellen von mehr als 15 Metern gefischt werden mussten.

Aber auch das hat das Rennen nicht gestoppt, nur die Sicherheitsvorkehrungen sind seitdem verschärft worden. Und auch nach 70 Ausgaben ist die größte Attraktion immer noch, überhaupt in Hobart anzukommen. Und nicht nur, weil dort nach der Ankunft alljährlich eine der besten Parties auf dem fünften Kontinent steigt.

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