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Segeln

© dpa

Segeln: Kenterung am Kap Hoorn

Das gefährliche Leben der Einhandsegler: Der gekenterte Jean Le Cam wurde nach 17-stündigem Überlebenskampf von einem Konkurrenten gerettet.

Er telefonierte mit seiner Land-Crew, als das Unglück passierte. „Könnte sein, dass ich kentere“, sagte Einhandsegler Jean Le Cam noch, bevor die Verbindung abbrach und das Transmitterrauschen Platz für schlimme Vorahnungen ließ. Die „VM Matériaux“, beim Vendée- Globe-Rennen an dritter Position, hatte die Kielbombe verloren, war ohne Ballast im selben Moment umgeschlagen – und der 46-jährige Skipper war in der Kabine seiner kopfüber treibenden Yacht gefangen. Die lief nun langsam voll. Le Cam suchte sich eine Luftblase in dem lichtlosen Gehäuse, in dem nun seine Habseligkeiten schwammen, und wartete. Die Seenotbake funkte. Ein Wettlauf gegen die Zeit begann.

In der Nacht auf Dienstag war der in seiner Heimat beliebte Franzose im Begriff gewesen, Kap Hoorn zu umrunden, die als Seemannsgrab gefürchtete Südspitze Lateinamerikas. Bei sechs Windstärken hatten sich vier bis fünf Meter hohe Wellen gebildet, für Open-60-Racer wie die rosafarbene „VM Matériaux“, die für die Stürme des Südpolarmeers konstruiert ist, eher normale Bedingungen. Doch ein Tanker – von der chilenischen Küstenwache zu dem Havaristen geschickt – konnte in dem Seegang kein Boot zu Wasser lassen. Der Eingeschlossene hörte vermutlich das Schraubengeräusch, blieb aber in seiner eiskalten Kammer.

In dieser Lage gibt es für Segler nur eine Chance, ihr Gefährt zu verlassen. Durch einen Notausstieg im Heck des Bootes. Dort befindet sich auch die Seenotinsel. Einen Weg zurück gibt es nicht mehr, stattdessen die Aussicht, vom glatten Rumpf ins Meer gespült zu werden. Als Vincent Riou, Freund und Landsmann Le Cams, am Abend des Folgetages die kieloben treibende Jacht erblickt, ist deren Heck bereits tief ins Wasser gedrückt. Riou ruft Le Cams Namen und sieht, wie dieser aus der Notluke taucht. Vier Mal muss der Retter Anlauf nehmen, um ein Seil zu dem Schiffbrüchigen zu werfen – unter Segeln, denn Rious Maschine funktioniert nicht. Beim letzten Mal gelingt es, aber die „PRB“ kommt dem Wrack zu nahe, einer der seitlich überstehenden Wantenspreizer verfängt sich, es knallt und scheppert.

So klettert das Pech Le Cams an Bord Rious, als dieser ihn aus dem Wasser fischt. Zwar gelingt es den beiden zunächst, das malträtierte Rigg der „PRB“ zu sichern und Richtung Chile zu segeln, aber bei der Einfahrt in den Beagle-Kanal ist für Riou die Reise zu Ende: Der Mast knickt ab. Die nun ihrerseits bewegungsunfähige Jacht muss von der chilenischen Marine abgeschleppt werden.

Damit setzt sich die beispiellose Pannenserie bei diesem Vendée Globe fort, das Anfang November im Französischen Les Sables D''Olonnes mit dreißig Teilnehmern gestartet war – Rekord bei dem alle vier Jahre ausgetragenen Ozean-Marathon. Nach zwei Dritteln der Wegstrecke nonstop um den Globus sind lediglich zwölf Einhandsegler übrig geblieben. Der Rest, darunter beinahe sämtliche Favoriten, schied aus. Haben die Millionen Euro teuren Carbon-Jachten die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht?

Zwei Männer scheint das nicht zu bekümmern. Sie leisten sich an der Spitze des dezimierten Feldes ein hartes Duell. Schon einmal, vor acht Jahren, waren der spätere Sieger Michel Desjoyeaux und sein Rivale Roland Jourdain einander auf den Fersen gewesen. Und wie damals setzt sich der unfehlbare Desjoyeaux nach der Rundung Kap Hoorns langsam ab. Vielleicht gelingt ihm als Erstem, das Rennen, das auch die Besten nicht ein einziges Mal beenden, erneut zu gewinnen.

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