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Sport: Sein Erbe ist beschädigt

IOC-Chef Rogge wirkt in Peking amtsmüde

Die linke Tür im Konferenzsaal unterhalb der Lobby des China World Hotel wird streng bewacht. Vier chinesische Sicherheitskräfte haben sich in ihrer Nähe postiert, sie tragen Minilautsprecher im Ohr, blicken ernst. Als ein telefonierender Journalist der Tür versehentlich zu nahe kommt, drängen sie ihn mit sanfter Gewalt ab. Die Sicherheitskräfte wirken nervös. Als könnte im nächsten Moment die olympische Fackel samt Demonstranten in den Raum gebracht werden. Stattdessen kommt Jacques Rogge.

Der 65-Jährige genießt weiterhin intensiven Schutz in China. Zwar hat der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zuletzt das Gastgeberland der Olympischen Spiele kritisiert, und sogar eine Krise konstatiert. Doch inzwischen schmeichelt er China wieder. Auf die Frage, wann die Krise vorüber sei, antwortete er am Freitag: „Ich kann nicht in eine Kristallkugel sehen, aber ich bin optimistisch, dass wir exzellente Spiele erleben werden“, sagte Rogge. Damit setzt er seinen unentschlossenen Kurs fort, den er seit den niedergeschlagenen Protesten der Tibeter in Lhasa zeigt. Die Olympischen Spiele 2008 drohen, sein olympisches Erbe endgültig zu beschädigen.

Als Jacques Rogge am 16. Juli 2001 in Moskau zum IOC-Präsidenten gekürt wurde, wollte es der orthopädische Chirurg besser machen als sein Vorgänger Juan Antonio Samaranch. Unter dem Spanier hatte die Korruption im IOC geblüht, die Bekämpfung des Dopings hatte nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Jacques Rogge wollte eine neue Ära einläuten, doch sieben Jahre später bleibt davon nicht viel übrig. Nur die Dopingbekämpfung hat sich tatsächlich verbessert, bei den Spielen in Peking sollen erstmals 4500 Dopingtests genommen werden.

Den Gigantismus der Spiele einzudämmen, ist Rogge nur bedingt gelungen. In seiner Ära konnte der später wegen Korruption verurteilte Südkoreaner Kim Un Yong kurzzeitig zum IOC-Vizepräsidenten aufrücken. Und die Wahl Sotschis als Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014 ist äußerst umstritten. „Putin hat sich persönlich mit 15 Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees getroffen – und hatte sehr überzeugende Argumente im Geldkoffer“, behauptete der ehemalige Schachweltmeister und russische Oppositionspolitiker Garri Kasparow. Nun trüben auch noch das Fiasko um den längsten Fackellauf aller Zeiten sowie die politisierten Spiele von Peking die Bilanz von Rogge, der auch gesundheitlich angeschlagen ist.

Die Entscheidung für Peking ist im Sommer 2001 unter Samaranch getroffen worden, trotzdem bereut auch dessen Nachfolger sie nicht. „Es ist immer leicht im Rückblick etwas zu kritisieren, die Bewerbung Pekings war 2001 deutlich die beste“, sagte Jacques Rogge. China habe etwas Neues bieten können, nämlich die Aussicht, Sport und die olympische Idee zu einem Fünftel der Menschheit zu bringen. „Das war der Grund, die Spiele an Peking zu vergeben“, sagte er und trat Vorwürfen entgegen, die Spiele seien vor allem aus kommerziellen Gründen an China vergeben worden.

Jacques Rogge wirkte angespannt und amtsmüde in der vergangenen Woche in Peking. Nur einmal blühte er auf. Als er von seinen unbelasteten Tagen bei den Olympischen Spielen erzählen konnte. „Danke für diese Frage“, sagte er. 1968, 1972 und 1976 hatte er als Segler an Olympischen Spielen teilgenommen, später betreute er die belgische Olympiamannschaft als Chef de Mission. „Das war die goldene Zeit, da musste ich nur über Sport nachdenken“, sagte er. Dieser Zeit spürt er immer noch nach, vielleicht liegen ihm auch deshalb die olympischen Jugendspiele so sehr am Herzen: als Aussicht auf unbelasteten, fröhlichen Sport. Als IOC-Präsident wohnt er aus dem selben Grund während der Olympischen Spiele stets im olympischen Dorf. „Dort finde ich diese alte Magie wieder, das ist ein Hort des Friedens“, sagte er, „aber dann kommt die Realität, ich muss das Geschäft des IOC leiten, und das ist nicht immer ein Vergnügen.“

Im Oktober 2009 wählt das IOC einen neuen Präsidenten. Gut möglich, dass Jacques Rogge sich nicht mehr zur Wahl stellt.

Seiten 13 und 26

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