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Sport: Sein zweites Leben

In Tunesien wird Trainer Lemerre endlich geachtet

Vermutlich ist es ganz einfach, mit Roger Lemerre zurechtzukommen. Man muss nur das tun, was er verlangt. Der Trainer der tunesischen Fußball-Nationalmannschaft liebt Disziplin und Gehorsam. In seinem aktuellen Umfeld aber hat er es nicht leicht, seine Vorstellungen jederzeit durchzusetzen. Anfang der Woche zum Beispiel hat Lemerre in Köln mit seinem Team unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainieren wollen. Die Journalisten wurden weisungsgemäß des Stadions verwiesen, rund 300 tunesische Fans gar nicht erst eingelassen. Das Geheimtraining blieb trotzdem nicht lange geheim. Die Anhänger kletterten einfach über den Zaun.

Roger Lemerre wird das nicht gefallen haben. „Ohne solide Prinzipien kann man im Ausland nicht erfolgreich arbeiten“, sagt der Franzose. „Auch wenn es simple Prinzipien sind.“ Daran hat er sich immer schon gehalten. Als ihn der französische Verbandspräsident Claude Simonet einmal an seine vertragliche Verpflichtungen gegenüber Sponsoren und Journalisten erinnerte, entgegnete Lemerre: „Wo steht in meinem Vertrag, dass ich Medienarbeit zu leisten habe?“ Medienarbeit hat er immer als Medienqual empfunden. „Ich verabscheue Sie“, hat er als französischer Nationaltrainer einmal in einer Pressekonferenz gesagt.

Bisher galt Lemerre als unnahbar, als autoritär und gefühlskalt, beim Confed-Cup aber spielt Tunesiens Nationaltrainer den charmanten Plauderer. Wenn er redet, dauert jede einzelne Antwort länger als seine gesamte Pressekonferenz nach dem Gewinn der Afrikameisterschaft im vergangenen Jahr: Nach anderthalb Minuten stand Lemerre auf und ging. In Köln sitzt er am Tag vor dem Spiel gegen Deutschland vor den Journalisten und spricht ausdauernd über „la Mannschaft“. Er hält den Kopf ein wenig schräg und lächelt ganz beseelt: Lemerre leuchtet. Eine Frage nach Lukas Podolski nutzt er, um der Stadt Köln zum Aufstieg ihres FC zu gratulieren und allen Kölnern zu verkünden: „Die Tunesier sind mit euch.“

Sein neuer Ton mag auch daran liegen, dass Lemerre in Tunesien eine Wertschätzung genießt, die ihm seine Landsleute nur selten entgegen gebracht haben. Geliebt wurde er in seiner Heimat nie, obwohl er Frankreichs Fußballer im Sommer 2000 zum Gewinn der Europameisterschaft geführt hat. Zwei Jahre später allerdings schied das Team bei der WM als Titelverteidiger schon in der Vorrunde aus. Der Verband wollte Lemerre die Möglichkeit zum ehrenvollen Rücktritt geben, doch als er sich nach drei Wochen immer noch nicht gerührt hatte, traten die Funktionäre zusammen, um selbst zu handeln. Lemerre platzte schließlich in die Sitzung des Exekutivkomitees hinein und verlangte eine sofortige Entscheidung. Er müsse seinen Zug noch erreichen.

Mit Frankreich hat Lemerre abgeschlossen. „Ihr dürft mich alles fragen, nur nichts über Frankreich“, hat er einmal zu tunesischen Journalisten gesagt. „Ich wurde erst im Oktober 2002 geboren.“ Da übernahm er den Job als tunesischer Nationaltrainer, zwei Jahre später wurde die Mannschaft Afrikameister. „Wir haben viel von ihm gelernt“, sagt Stürmer dos Santos. Lemerre hat der Mannschaft ein stimmiges Konzept verpasst, das die eingeschränkten Möglichkeiten des kleinen Landes berücksichtigt. „Kleine Mannschaften müssen eine passende Organisation finden“, sagt Lemerre. „Sie müssen kleine Schritte machen und zustechen wie Moskitos.“ Wenn sein Konzept funktioniert, könnte es für die Deutschen heute sehr schmerzhaft werden.

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