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Sport: Selbstbefreiung mit Gefühl

Lukas Podolski trifft wieder und lässt seine Zweifel erst einmal hinter sich

Als alle Feierlichkeiten beendet waren, nach dem Defilee an den Ersatzspielern vorbei, nahm Lukas Podolski noch Glückwünsche der besonderen Art entgegen. Eher beiläufig, so wie es seine Art ist. Der Stürmer der deutschen Nationalmannschaft hatte gerade für die Entledigung seines Trikots die Gelbe Karte gesehen und Schiedsrichter Rizzoli den Rücken zugekehrt, da streckte er seine Hand nach hinten, wie ein Bettler, der Passanten in der Fußgängerzone um Geld anfleht. Rizzoli schlug ein. „Wir haben uns alle gefreut“, sagte Thomas Hitzlsperger über Podolskis Tor zum 3:1 gegen Rumänien.

Nur ein Unmensch hätte dem Zauber des Moments widerstehen können. Das Spiel näherte sich bereits bedrohlich seinem Ende, als Podolski 18 Meter vor dem Tor an den Ball kam. Er schoss ohne Anlauf, mit seinem notorischen linken Fuß, und wuchtete den Ball ins Netz. Der Jubel des Publikums folgte wie der Donner einem Blitzeinschlag, mit einer urwüchsigen Kraft. Podolski riss sich das Trikot vom Körper. „Man hat gemerkt, dass er das Tor jetzt unbedingt machen wollte“, sagte Bundestrainer Joachim Löw. „Für ihn war es eine Erlösung.“

Die Geschichte ist fast zu kitschig, um schön zu sein. Zum ersten Mal seit seinem Wechsel vom 1. FC Köln zu den Bayern spielte Podolski wieder in seinem Stadion, da, wo die Menschen ihn noch mehr lieben als im Rest der Republik. Zum ersten Mal seit fast einem halben Jahr stand er bei einem Länderspiel wieder in der Anfangself, und zum ersten Mal nach elf Monaten erzielte er wieder ein Tor. „Er war sehr bemüht“ sagte Hitzlsperger, „aber anfangs ein bisschen unglücklich.“ Zweimal stand Podolski frei vor Torhüter Coman, beim ersten Mal verpasste er den richtigen Moment zum Schuss, beim zweiten Mal hörte er auf seinen Verstand, anstatt seinem Instinkt zu vertrauen. Später wurde Podolski gefragt, wie wichtig der Treffer für ihn gewesen sei. „Was heißt wichtig?“, antwortete er. „Ich hab mir einfach vorgenommen, ein Tor zu machen.“

Podolski tut immer so cool; in Wirklichkeit aber ist er ein sehr gefühliger Mensch. Das Rumänienspiel erinnerte an das WM-Spiel gegen Ekuador. Nachdem sich die Nationalmannschaft einen sicheren 2:0-Vorsprung verschafft hatte, verfolgte sie nur noch ein Ziel: Alle Bälle auf den mit sich und der Welt hadernden Poldi – damit auch der endlich zu seinem Erfolgserlebnis komme. Am Ende traf Podolski zum 3:0. Doch während er sich vor einem Jahr aus dem Schlamassel hatte ziehen lassen, zog er sich diesmal selbst heraus. Bundestrainer Löw fand es beeindruckend, „wie er sich befreit hat“.

Lukas Podolski ist derzeit das beste Beispiel für die gelungene Menschenführung bei der Nationalmannschaft. „Schon die Nominierung war wichtig“, sagte der Münchner. Nach zwei Kurzeinsätzen in der Bundesliga war sie keineswegs selbstverständlich, „der Bundestrainer hätte ja auch sagen können: Warte noch mal zwei Wochen.“ Für Löw aber war immer „klar, dass man an so einem Spieler festhält“. Am Ende konnten alle zufrieden sein: Löw, Podolski – und sogar die Bayern, die früher über die Länderspielbelastung ihrer Arbeitskräfte geklagt haben. Diesmal bekommen sie einen Spieler zurück, der nicht nur Spielpraxis gesammelt, sondern vor allem seine Zweifel hinter sich gelassen hat. Lukas Podolski sagte zum Abschied aus Köln, er gehe fest davon aus, dass er am Samstag gegen Schalke von Anfang an spielen werde.

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