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Betretene Gesichter bei der Borussia, Jubel beim Drittligisten: Arminia Bielefeld steht im Pokal-Halbfinale.

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Update

Sensation im DFB-Pokal: Arminia Bielefeld: Mehr als purer Zufall

Ein Drittligist steht im Halbfinale des DFB-Pokals. Arminia Bielefeld hat im Elfmeterschießen gegen Borussia Mönchengladbach die besseren Nerven und schaltet schon den dritten Erstligisten aus.

Für Norbert Meier war die Party nach Spielende schon vorbei. Der Trainer von Arminia Bielefeld fuhr nach dem aufsehenerregenden Erfolg seiner Mannschaft im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Borussia Mönchengladbach schnell nach Hause. Dort warteten noch ein, zwei Stunden Anschauungsunterricht auf den 56-Jährigen, der sich daheim Videos von Dynamo Dresden ansah. Am Samstag sind die Sachsen der Gegner des Drittliga-Tabellenführers.

Während Meier rasch zurückfand in den Alltagsmodus, rieb sich so mancher seiner Spieler noch immer verwundert die Augen. Immerhin hatten die Arminen den zwei Klassen höher angesiedelten Bundesligadritten Mönchengladbach besiegt, zuletzt ein Spitzenteam in Höchstform. Nach dem leidenschaftlich erkämpften und clever erspielten 1:1 während der regulären Spielzeit überzeugten die Bielefelder auch im Elfmeterschießen. Selbstbewusst und cool verwandelten sie fünf ihrer sechs Strafstöße; die Elf vom Niederrhein dagegen stand ziemlich bedeppert da, als Raffael den Ball am Tor vorbeischoss und Ibrahima Traoré an Torhüter Alexander Schwolow gescheitert war.

„Da geht ein Traum in Erfüllung“, sagte der 22-Jährige, der schon beim Sieg über Hertha BSC in der zweiten Pokalrunde mit zwei parierten Elfmetern der Held des Abends war. Mit geschlossenen Augen, ausgebreiteten Armen und einem Jubelschrei kostete Schwolow die Sekunden nach der Entscheidung aus, ehe er sich in die Bielefelder Jubeltraube stürzte, die einen Abend mit Erinnerungswert abrundete.

Im DFB-Pokal-Halbfinale trifft Arminia Bielefeld auf den VfL Wolfsburg

Es ist längst nicht mehr der pure Zufall, dass Arminia Bielefeld, im Vorjahr unter dramatischen Umständen in der Relegation in die Dritte Liga abgestiegen, der Pokalschreck des Jahres ist. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der die Ostwestfalen ihre Mission Wiederaufstieg in Angriff genommen haben, navigieren sie sich durch den Pokalwettbewerb mit nun schon drei Erfolgen über Erstligaklubs (Hertha, Bremen, Mönchengladbach). Der VfL Wolfsburg, der am 29. April zum Halbfinale bei Arminia Bielefeld antreten muss, sollte sich nicht zu sicher sein, dort die Verhältnisse wieder geraderücken zu können.

Die Arminen sind ein Team mit gehobenem Zweitligaformat, sie wissen, was sie können, und vor allem, was sie tun müssen, um Favoriten ärgern und straucheln zu lassen. „Wir hatten einen Plan und wollten die Gladbacher Schnelligkeit aus dem Spiel nehmen“, sagte Verteidiger Florian Dick, im Vorjahr auch mit dem 1. FC Kaiserslautern im Pokalhalbfinale und dort in München an den Bayern gescheitert. Meiers Plan ging vollends auf, weil seine Spieler in zwei eng verzahnten Viererketten bestens organisiert waren und mit immenser Laufbereitschaft alle Räume schlossen, um deren Eroberung die Borussen sich nur halbherzig mit einer Art Reißbrettfußball bemüht hatten.

Die Rheinländer, voran Trainer Lucien Favre und Manager Max Eberl, erwiesen sich als gute Verlierer. Favre sagte: „Wir haben probiert, Fußball zu spielen. Aber wir haben keine Lücke gefunden. Bielefeld hat gut gewartet, gut gekontert und ein Supertor gemacht.“ Eberl lobte: „Bielefeld hat herausragend verteidigt, wir sind gegen eine fantastische Mannschaft und ein fantastisches Publikum ausgeschieden.“

Arminia Bielefeld schwimmt auf einer Sympathie- und Erfolgswelle

Die Bielefelder Fans besangen danach sogar schon den Europapokal in ihrer Begeisterung. Der Verein, mit rund 25 Millionen Euro verschuldet, hat zu den knapp 2,5 Millionen Euro Einnahmen aus den bisherigen Pokalrunden noch einmal rund zwei Millionen dazugewonnen und darf nun sogar von Berlin träumen, wo am 30. Mai das Endspiel steigt. Und dafür wird auch der Verlierer mit mindestens weiteren 2,2 Millionen Euro belohnt. Noch mehr Ruhm und Geld warten also auf die Arminia, die ein Jahr nach dem bittersten Abstieg der an Abstiegen reichen Klubhistorie auf einer riesigen Sympathie- und Erfolgswelle schwimmt.

Auch dank Trainer Meier, der über sein taktisch-strategisches Meisterstück gar nicht mehr sprechen mochte. „Ich bin kein Professor“, sagte er, bevor er nach Haus zum Heimkino aufbrach. Meier war an einem Abend mit überglücklichen Pokalhelden so etwas wie ein Held des Alltags. Er weiß, dass die Mühen der Ebene für seine Mannschaft noch beschwerlich genug werden können.

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