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Gratuliere, alter Freund. Novak Djokovic (r.) erwischte in Miami einen gebrauchten Tag und Thomas Haas einen, an dem alles passte. Foto: AFP

© AFP

Sensation in Miami: Haas dreht die Zeit zurück

Beim Tennisturnier in Miami erlebt der fast 35-Jährige eine späte Sternstunde und fegt die Nummer eins Novak Djokovic vom Platz.

Am Ende war die kleine Valentina dann doch wieder putzmunter und winkte fröhlich ihrem Vater von der Tribüne des Center Courts aus zu. Es ging bereits auf 23 Uhr zu im Crandon Park von Miami, und Thomas Haas wusste, dass es für sein zweijähriges Töchterchen eigentlich längst Schlafenszeit war. Dennoch war er überglücklich, dass sie und seine Verlobte Sara Foster diesen wichtigen Moment mit ihm teilten. „Es ist einfach so wunderbar, dass Valentina dabei ist und mich spielen sieht“, freute sich Haas, „sie ist diese Woche so etwas wie mein Glücksbringer.“

Haas hoffte, dass sich Valentina später einmal an diesen Abend erinnern möge, denn es war einer der größten Siege, den ihr Vater in seiner bald 18-jährigen Profikarriere errungen hatte. 6:2 und 6:4 leuchtete auf der riesigen Anzeigetafel auf, und so mancher im Stadion mochte es immer noch nicht glauben. Haas hatte mit Novak Djokovic den besten Spieler der Welt vom Platz gefegt, als wäre das eine ganz leichte Übung. Dabei war es für den Serben, der den Tennissport in den letzten zwei Jahren dominiert hatte, im Achtelfinale des Masters von Miami erst die zweite Niederlage der Saison gewesen. „Ich kann Tommy nur gratulieren“, sagte der geschlagene Titelverteidiger, „er hat taktisch sehr klug gespielt und war einfach besser als ich. Er hat mich dazu gebracht, so schlecht zu spielen.“

Djokovic erwischte zwar einen gebrauchten Tag, doch es sollte Haas’ Triumph nicht schmälern. Erst zum zweiten Mal hatte er die aktuelle Nummer eins bezwungen, zuvor war ihm das nur gegen Andre Agassi gelungen, vor über 13 Jahren. Haas wirkte acht Tage vor seinem 35. Geburtstag, als sei er eben einem Jungbrunnen entstiegen. Leichtfüßig und gleichzeitig aggressiv ging der gebürtige Hamburger die Grundlinienrallyes nicht nur mit, er dominierte sie sogar. Selbst wenn sie über 20, 30 Schläge gingen. Und das, obwohl Djokovic als bester Defensivspieler gilt. Haas begeisterte mit Passierschlägen und gefühlvollen Stoppbällen und brachte Djokovic ein ums andere Mal aus der Balance.

„Es war einfach einer dieser Tage“, sinnierte Haas später. Er hatte im ersten Satz eine Traumquote von 100 Prozent bei der Verwertung seiner zweiten Aufschläge, genauso bei seinen Netzattacken. Und sein erster Aufschlag lag bei fast 80 Prozent – solche Topwerte sieht man sogar bei den besten Spielern selten. Selbst ein Rebreak im zweiten Satz brachte Haas nicht aus dem Konzept, es war einfach sein Tag. Er hatte immer gesagt, dass er, wenn sein verletzungsgeplagter Körper nicht muckt, auch für den stärksten Gegner immer noch eine Gefahr ist. Bei diesem Spiel unter Flutlicht, vor vollen Rängen, angefeuert von der Familie, da spielte Haas wie im Rausch, drehte die Zeit ein Stück zurück.

Thomas Haas lebt für diese Momente, dafür arbeitet er täglich härter als die meisten Konkurrenten. Dafür schindet er sich, während Gleichaltrige längst den Ruhestand genießen. Der Sieg gegen Novak Djokovic war der Lohn für seinen Biss, seine Ausdauer und den Schweiß. „Ich habe immer davon geträumt, dass mich Valentina noch bewusst spielen sieht“, sagte Haas, „sie motiviert mich so sehr. Ich könnte nicht glücklicher sein.“ In seinem Twitter-Profil beschreibt er sich mit den Worten: „Vater und immer noch Tennisspieler.“ In dieser Woche weiß auch Haas wieder warum.

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