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SERIE: „Die Waffe ist mein Baby“ Kältetechnik

Kathrin Hitzer hegt und pflegt ihr Gewehr, eine Sonderanfertigung aus Kirschholz für Biathleten

Wintersport ist eine technisch anspruchsvolle Angelegenheit. Da werden Kufen geschliffen, Ski gewachst und Schlitten konstruiert. Manchmal kann das Material sogar über den Sieg entscheiden. In unserer Serie erklären erfolgreiche Athleten, wie sie ihre Sportgeräte pflegen, an ihnen basteln und mit ihnen verreisen. Heute: Katrin Hitzer über das Gewehr der Biathleten.

Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich sage es trotzdem: Die Waffe ist mein Baby, ich hege und pflege sie. Es ist wichtig für mich, dass ich mich mit ihr wohlfühle, dass wir eins werden, wenn ich schieße. Sie ist für mich als Biathletin das wertvollste Stück. Mit zwölf Jahren habe ich zum ersten Mal geschossen, mit einem Luftgewehr. Mit 16 durfte ich es dann mit einem Kleinkalibergewehr versuchen und damit schieße ich auch jetzt noch im Weltcup. Bis vor zwei Jahren hatte meine Waffe einen ganz normalen Schaft, wie er in der Massenproduktion hergestellt wird. Er ist aber für größere Hände gedacht, für Männer eben. Kleinere Modelle für Frauen gibt es nicht.

Als ich wusste, dass ich es als Profi versuchen will, habe ich mir dann einen eigenen Schaft maßanfertigen lassen. Sandro Brislinger, der Waffenmeister in der Bundeswehr-Sportfördergruppe Oberhof ist, hat mich vermessen. Das hat fünf Tage gedauert! Der Schaft wird aus Kirschholz gefertigt, es wird gesägt, probiert, ob es passt und wieder gesägt. Das muss ganz vorsichtig gemacht werden, denn was weg ist, ist weg. Und wenn man zu viel absägt, ist es richtig blöd: die gesamte Waffe mit allem drum und dran kostet schließlich 1500 bis 2000 Euro. Außerdem muss man bei der Bearbeitung natürlich auf das Gewicht achten. Das Gewehr muss mindestens dreieinhalb Kilo wiegen, bei mir sind es sogar vier Kilo.

Das Kirschholz empfinde ich als sehr warmes Holz, das auch nicht zu hart ist. Manche Biathleten lackieren es, damit sie ihre Sponsoren besser darauf präsentieren können. Das mache ich bestimmt nicht! Ich möchte das Holz sehen und fühlen können. Das brauche ich, schließlich geht es um mein Baby. Das Verhältnis zum ihm hat sich in all den Jahren nicht geändert, aber ich habe den Umgang durch die vielen Schüsse mehr verinnerlicht und automatisiert. Einige zehntausend Schüsse habe ich schon abgegeben, im Training sind es in Wettkampfzeiten täglich 100 bis 150, in der Saisonvorbereitung bis zu 200.

Nach jedem Schießen ent ruße ich den Lauf mit einer Art Docht, nach mehreren Wettkämpfen baue ich meine Waffe ganz auseinander und putze sie mit Öl, einer Zahnbürste und einem alten Lumpen. Das kann schon eine Stunde dauern. Manchmal sitze ich mit meinem Freund Michael Greis auf dem Sofa, wir schauen fern und putzen beide unsere Waffe. Michi ist ja ein unglaublicher Tüftler und baut viel an seinem Gewehr herum. Aber er redet mir nicht drein, ich weiß selber, worauf ich achten muss.

Das Reisen mit Waffe ist etwas mühsam, aber man gewöhnt sich dran. Ich muss mein Gewehr am Flughafen immer als Sondergepäck aufgeben, auch die Polizei hat immer noch einen Blick darauf. Nach der Ankunft hole ich die Waffe am Zoll wieder ab. Sowohl beim Aufgeben als auch beim Abholen muss ich meine Waffenkarte zeigen. Deshalb muss ich mich auch um alles selber kümmern, kein Betreuer darf das für mich übernehmen. Auch im Hotel gibt es klare Regeln: Der Waffenkoffer muss an die Heizung gekettet werden, damit nichts passieren kann.

Aufgezeichnet von Helen Ruwald. Bisher erschienen: Jenny Wolf über Schlittschuhe (22.12.), Michael Neumayer über Sprung-Skier (29.12.).

Folge 3:

BIATHLON-GEWEHR

Kathrin Hitzer

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