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Erfolgreich gequält. Beim Weltcup in Berlin wurde Schwarz im Dezember Siebter über 1000 Meter.

© dpa

Serie Olympisches Berlin (2): Samuel Schwarz: Die Fliehkraft der Ruhe

Samuel Schwarz könnte in Sotschi die medaillenlose Zeit der deutschen Männer im Eisschnelllauf beenden. Allerdings muss dabei für den Berliner schon vieles optimal laufen.

Den Tunnelblick hat Samuel Schwarz nicht aufgesetzt an diesem verschneiten Vormittag in Hohenschönhausen. Leicht und locker wirken seine Übungen im Trockenen. In der Leichtathletikhalle des Sportforums macht der Eisschnellläufer beeindruckende Sprünge, Sprints und Klimmzüge. Es fühle sich alles sehr gut an, so kurz vor der Reise nach Sotschi, sagt er. Und das ist für den besten Sprinter unter den deutschen Männern schon erstaunlich, nach seinem Missgeschick im November: Muskelfaserriss im Adduktorenbereich beim Weltcup in Salt Lake City – und das inmitten der olympischen Saison.

Ein Schock, der sich aber mit guter Physiotherapie relativieren ließ: „Ich hatte einen idealen Heilungsverlauf, und nur deshalb konnte ich nach drei Wochen schon wieder an den Start gehen.“ Es lohnte sich. Beim Weltcuprennen über 1000 Meter lief Schwarz im Dezember in seiner Heimatstadt Berlin auf Platz sieben. Eine Überraschung für ihn und eine Ansage für den Rest der Sprintszene: Samuel Schwarz reist nicht als chancenloser Außenseiter zu den Winterspielen nach Sotschi. So viel ist auch für ihn klar.

Eine Medaille für Schwarz wäre im Gesamtkontext der Erfolge deutscher Eisschnellläufer eine Sensation: 1992 holten Olaf Zinke über 1000 Meter und Uwe-Jens Mey über 500 Meter Gold. Seitdem gewannen die deutschen Sprinter bei den Männern keine olympische Medaille mehr. Samuel Schwarz könnte die Negativserie beenden. Der 30-jährige Berliner sieht sich in der besten Phase seiner Karriere, in seinem Alter sei das Verhältnis von physischer Leistungsfähigkeit und Erfahrungswerten optimal.

1000 Meter auf dem Eisring. Das sei ganz viel Technik, erzählt Schwarz. „Diese Kurvenfliehkraft, die dich fast raushaut und die du dann doch wieder in Geschwindigkeit umsetzen kannst.“ 1000 Meter sind zwar Sprintstrecke, können auf den letzten 200 Metern aber lang werden. „Dann gehorcht dir der Körper einfach nicht mehr, verschwimmt das Bild vor Augen. Die Muskeln übersäuern, du kannst dich kaum noch bewegen und quälst dich zur Ziellinie.“ Trotzdem sei es für ihn die schönste Strecke. Und es ist die stärkste Strecke von Samuel Schwarz. Im Weltcup stand er schon häufiger auf dem Podest, bei der WM im vergangenen Jahr wurde er Sechster.

Schwarz ist nicht der Kräftigste im internationalen Feld, er ist kein aggressiver Läufer und in seiner Körpersprache zurückhaltend. Er sagt, genau das sei seine Stärke. Kürzlich habe ihm ein Fernsehreporter gesagt: Mensch Junge, du wirkst vor dem Start nicht aggressiv genug. Na und? „Wenn ein Tennisspieler Serve- und Volley-Spezialist ist, sagt ihm doch auch niemand, er solle auf sein Spiel von der Grundlinie setzen. Meine Ruhe ist meine Stärke.“

Wenn Samuel Schwarz so von sich erzählt, dann wirkt jeder Satz wohlüberlegt. Natürlich hat jemand, der viel reflektiert, auch eine Meinung zu Sotschi. „Na klar weiß ich, wie die Sportstätten dort gebaut wurden. Wenn ich Dinge wie die Umweltverschmutzung nehme, dann ist das schon ein sehr negatives Spitzenniveau, das Russland da erreicht.“ Allerdings sei die Berichterstattung über Russland sehr negativ geprägt. „Wer glaubt, dass es nur dort krasse Sicherheitsbestimmungen gibt, liegt falsch. Vor vier Jahren in Vancouver sind wir von Sicherheitsblase zu Sicherheitsblase gewandert, und im olympischen Dorf patrouillierte die Polizei.“ Die Entwicklung sei schon sehr bedenklich, findet Schwarz. Vor den Starts bei seiner zweiten Olympiateilnahme müsse er das aber ausblenden. Schon weit vor dem Wettkampf begebe er sich in einen mentalen Tunnel, schotte sich ab. Es sind immer die gleichen Abläufe bei der geistigen Suche nach dem perfekten Rennen: „Jeden Schritt, den ich auf dem Eis später mache, habe ich schon mehrfach gedacht.“

Am 10. Februar läuft er die 500 Meter, zwei Tage später die 1000 Meter in der Adler-Arena. Die Halle kennt er vom Weltcup. „Aber das heißt nichts. Das Eis kann jetzt ganz anders sein.“ Schwarz hat Zeit, um sich an die olympische Bahn zu gewöhnen. Am Mittwoch ist er nach Sotschi gereist, ab Donnerstag kann er auf dem Eis täglich trainieren. Samuel Schwarz sagt: „Ich gehöre zum Favoritenkreis, aber ich bin nicht der Gejagte. Wenn ich das perfekte Rennen habe und bei den Gegnern nicht alles läuft, dann ist für mich alles möglich in Sotschi.“

- Unsere Serie „Olympisches Berlin“ läuft bis zum Start der Olympischen Winterspiele in Sotschi am 7. Februar täglich an dieser Stelle. Teil 3 am Freitag: Die Eishockeyspielerinnen Susann Götz und Nina Kamenik.

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