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Vor und zurück, aber hoffentlich nicht runter. Eintracht Frankfurts Trainer Christoph Daum dehnt sich für den Klassenerhalt.

© dapd

Showdown in der Bundesliga: Sieben Klubs kämpfen um den Klassenerhalt

Jürgen Rynio ist mit fünf Vereinen aus der Bundesliga abgestiegen. Der ehemalige Torwart berichtet hier von Existenzängsten in der Fußballbranche – und versteht Patrick Ochs.

Es kommt vor, dass die Leute heute noch stutzig werden, wenn sie meinen Namen hören. „Du bist doch der, der fünf Mal abgestiegen ist“, sagen sie dann. Mir bleibt in diesen Momenten nichts anderes übrig, als zu nicken. Fünf Abstiege mit fünf verschiedenen Vereinen – im Nachhinein kommt mir diese Zahl selbst utopisch vor. Natürlich ist das kein Rekord, auf den man stolz sein kann, aber ich bin auch nicht traurig darüber oder schäme mich gar. So ist nun mal das Leben und es kann nicht nur Gewinner geben. Ich bin trotzdem sehr zufrieden mit meiner Karriere und dem, was ich erlebt und erreicht habe.

Wenn ich abgestiegen bin, habe ich versucht mir einzureden, dass es nicht meine Schuld war. Du bist Torwart, du kannst nur einen begrenzten Einfluss auf das Spiel ausüben, habe ich mir gesagt. Anders kann man mit so einer Situation auch gar nicht umgehen, sonst machst du dich als Spieler kaputt. Abstiegskampf ist vor allem eine mentale Belastung. Jeder Spieler hat seine eigene Art, mit dieser Situation umzugehen. Einige werden dann noch verbissener, andere wiederum lähmt der Druck. Jedoch gelingt es fast niemandem, die Situation aus dem Kopf zu bekommen. Man nimmt das mit nach Hause, es ist unmöglich, die Anspannung einfach so abzuschütteln und nach dem Training auf dem Vereinsgelände zu lassen.

Nur wenige Vereine rutschen über Nacht in den Tabellenkeller. Wenn es nicht läuft, zieht sich das meistens durch die ganze Saison. So wie damals, als ich nach Nürnberg kam. Mit Karlsruhe hatte ich gerade meinen ersten Abstieg hinter mir und auch in Nürnberg merkte ich schnell, dass es wohl eine schwierige Saison werden wird. Dabei war die Mannschaft amtierender Deutscher Meister. Im Europapokal der Landesmeister schieden wir jedoch gleich in der ersten Runde gegen Ajax Amsterdam aus und irgendwie haben wir uns von diesem Negativerlebnis nicht mehr erholt. Als Spieler beginnt man dann zu grübeln: „Was mache ich, wenn wir absteigen“? Zu meiner aktiven Zeit war das eine existenzielle Frage. In den sechziger und siebziger Jahren waren die Verdienstmöglichkeiten mit denen von heute nicht zu vergleichen. Richtig Geld gab es damals nur in der Bundesliga zu verdienen. Wenn man als Profi eine Familie zu ernähren hatte, wurde es mit dem Gehalt eines Zweitligisten eng. Aus diesem Grund war der Druck, nicht abzusteigen, zu dieser Zeit hoch.

Heute hat sich die Situation etwas verändert. Selbst Drittligaspieler können inzwischen von ihrem Gehalt hervorragend leben. Dafür ist die Medienlandschaft viel aggressiver geworden und auch die Haltung der Fans. Was in den vergangenen Tagen in Frankfurt passiert ist, geht zu weit. Es ist nicht normal, dass Fans die eigenen Spieler derart bedrohen, weil sie schlecht spielen.

Die Welt der Fans und die der Profis lässt sich sowieso nur schwer einen. Als Spieler hat man nur zehn bis fünfzehn Jahre, in denen man Geld verdienen kann. Später ist man körperlich oft nicht mehr in der Lage, jeden Beruf auszuüben. Ich zum Beispiel habe meine Hände und meinen Rücken total zerschlissen durch den Fußball. Die Fans interessiert das nicht, sie fordern absolute Treue zu ihrem Verein ohne daran zu denken, was später aus dem Spieler wird. Das beste Beispiel ist Patrick Ochs, der jetzt mitten in der finalen Saisonphase seinen Wechsel nach Wolfsburg bekannt gab. Er hat sich als Arbeitnehmer für einen Arbeitgeber entschieden, der ihm wahrscheinlich ein besseres Gehalt offeriert. In der freien Wirtschaft würden das viele Leute nicht anders machen.

Jürgen Rynio, 63, hält zusammen mit Stephan Paßlack und Andreas Keim den Rekord für die meisten Bundesliga-Abstiege. Mit Karlsruhe, Nürnberg, Dortmund, St. Pauli und Hannover konnte er die Klasse nicht halten. Heute leitet Rynio ein Pflegeheim für geistig behinderte Menschen. Seinen Text hat Sebastian Stier aufgezeichnet.

Jürgen Rynio

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